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von
Irene Judmayer
Kaffee in Österreich ist furchtbar
Ab Mai ist Stella Rollig neue Lentos-Direktorin. Jetzt gibt sie mit der von ihr kuratierten Ausstellung der palästinensischen Künstlerin Emily Jacir im Linzer O.K eine weitere hervorragende Visitenkarte ihrer inhaltlichen Prioritäten ab.

Zur effektiven zeitgemäßen Betreuung eines Kunstmuseums gehört längst mehr, als durch die Lande tourende Ausstellungen ein- und Werke von Künstlern für die Sammlung anzukaufen. Ein wesentlicher Punkt ist heutzutage das Aufspüren von Geheimtipps, als "Trend-Scout" in der Kunstszene unterwegs zu sein. Diese Eigenschaften pflegt auch Stella Rollig für den diesjährigen Programmschwerpunkt des O.K-Centrum für Gegenwartskunst. Er setzt sich mit dem Spannungsfeld Israel/Palästina auf künstlerischen Ebenen auseinander.

Die Entdeckung der palästinensischen Künstlerin Emily Jacir (*1970 in Ramallah) als artist in residence und Schlusspunkt dieses Jahres-Schwerpunkts ist ein echter Glücksfall. Sowohl was die reichhaltige Oeuvre-Potenz dieser Künstlerin betrifft, als auch ihre präzisen, ironisch-herben Inhalte. Hier spiegelt sich das Leben einer Frau, die in einer ambivalenten Mischung aus Unsicherheit und Virtuosität allein durch die Geographie ihrer Geburt auf extremen Bruchlinien des Lebens balancieren muss.

"Belongings" ist die erste große Einzelausstellung von Emily Jacir in Europa. Auf eine O.K-Etage komprimierte Unmittelbarkeit. Während ihres Arbeits-Aufenthalts in Linz entstand beispielsweise ein mail-Tagebuch, das sie jeden Tag, Punkt 18 Uhr, mit Bildern aus der Webcam vom Linzer Hauptplatz speiste.

" Oct. 04, 2003, 18 Uhr " steht da zu lesen: " among many other strange curiosities is this town's obsession with webcams. that's me in front of the fountain standing alone ." - und ein paar Schritte weiter rechts: " the coffee in Austria is terrible ." Das tut weh, im Land der größten Kaffeehauskultur. Aber unser "Verlängerter" ist wohl wirklich ein Kulturschock für jemanden, der gewohnt ist, seine gemahlenen Bohnen "türkisch" zu genießen.

Wunderbar ist auch die Installation "Nothing will happen (eight normal Saturdays in Linz)": Blicke auf den Hauptplatz, 12 Uhr mittags, Sirenenprobe. Ein Signal das Jacir bisher nur mit Bedrohung und Tod verband.

Unter die Haut geht auch ihr "Memorial", im Großen Saal. Ein Flüchtlingszelt, handbestickt mit den Namen jener 418 palästinensischen Dörfer, die 1948 von Israel zerstört, entvölkert und besetzt wurden.

Diese Ausstellung in einem Land, das maßgeblich am Holocaust und somit an der jetzigen psychischen Befindlichkeit des jüdischen Volkes und dadurch seinem Handeln in Palästina beteiligt war, hat wahrscheinlich eine zusätzliche besondere Dimension.



OÖNachrichten vom 5.12.2003
 
   



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