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Venedig sehen und zigtausend Kunstgeburten erleben
Wenn am Samstag (14. 6.) die 50. Kunstbiennale Venedig eröffnet wird, dann geht es um eine Jubiläums-Schau der Superlative. Bereits das von dem neuen Direktor Francesco Bonami (47) erdachte Hauptprogramm unter dem Titel "Träume und Konflikte - Von der Diktatur des Zuschauers" umfasst gleich elf Ausstellungen, die in den Giardini, im Arsenale und im Museo Correr auf dem Markusplatz gezeigt werden. Dazu kommen 64 Länderpräsentationen und mehr als 30 über die ganze Stadt verteilte Sonderprojekte.

"Kunst heute ist so vielfältig, dass ich nicht meinen persönlichen Blickwinkel als maßgeblich voraussetzen kann", sagt Bonami. Daher zeichnet der Florentiner nur für zwei Ausstellungen alleinverantwortlich: Im Arsenale zeigt er unter dem Titel "Clandestini" ("Blinde Passagiere") 30 spezielle Geheimtipps und im Museo Correr präsentiert er "Malerei: Von Rauschenberg zu Murakami, 1964-2002", eine große Retrospektive von über 40 internationalen Künstlern, die dem Siegeszug von Installations-, Performance- und Videokunst erfolgreich gegengehalten haben. Lucio Fontana, Roy Lichtenstein und Anselm Kiefer sind dabei ebenso zu sehen wie Francis Bacon, Georg Baselitz oder die Österreicherin Maria Lassnig.



Weiters bietet Österreich heuer im und um seinen Pavillon Schwergewichtiges: Eine Auswahl der gewaltigen Skulpturen des Bildhauers Bruno Gironcoli (66). Der von einer Krankheit schwer gezeichnete gebürtige Kärntner, der 1977 die Leitung der Wotruba-Klasse der Akademie der Bildenden Künste übernahm, bezeichnete den Österreich-Pavillon in den Giardini lapidar als "wunderschönen Kiosk". Kein Wunder, ist der doch wirklich arg unterdimensioniert für ein Werk dieser Größenordnung.

Gezeigt werden u. a. Gironcolis "Stahl-Eisen-Skulptur" (1985), die "Eltern mit zwei Tischaufsätzen" und wichtige Arbeiten aus den siebziger und achtziger Jahren: "Maria" (1975/76), die ägyptisch anmutende "Vitrine" und der "Tisch mit Tischaufsätzen" (1979).

"Ritardi e Rivoluzioni" ("Verzögerungen und Revolutionen") heißt die von Bonami gemeinsam mit Daniel Birnbaum kuratierte Ausstellung im ehemaligen italienischen Pavillon der Giardini - eine internationale Gruppenausstellung von mehr als 40 Künstlern, in denen bekannte und neue Namen sowie die unterschiedlichsten Gattungen eine pointierte Übersicht über die jüngere Kunstgeschichte geben sollen. Damien Hirst ist hier ebenso zu sehen wie die eigenwillige 85-jährige Italienerin Carol Rama, die heuer mit dem Goldenen Löwen der Biennale geehrt wird.



Die italienische Kunst bekommt mit "Die Zone" in den Giardini eine neue Präsentationsplattform. Im Arsenale geht der Marathon dann gleich über acht Teilstrecken. Dazu gibt es die "Haltestelle Utopie" (in der auch Christoph Schlingensief mit seiner "Church of Fear" vertreten ist) sowie "Individuelle Systeme" (mit den Österreichern Josef Dabernig und Florian Pumhösl).

"Interludes" genannte Installationen schaffen die Verbindung der Ausstellungsplätze mit dem Stadtraum, in dem auch etliche Länderpräsentationen zu finden sind. Großbritannien schickt den skandalträchtigen Turner-Preisträger Chris Ofili, der Elefantendung kunstsalonfähig gemacht hat. Aus Australien kommt Patricia Piccinini, die ihre pointierten Kommentare zum Gen-Zeitalter in Silikon gießt.

Genug Stoff also für "Träume und Konflikte" auf über 15.000 m2 Ausstellungsfläche. (apa/irju)



OÖNachrichten vom 12.06.2003
 
   







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