16.05.2003 10:58
"Die Situation ist viel ernster, als es jetzt den Anschein
hat"
MAK-Direktor Noever über die Budgetsituation der
Wiener Museen
Wien - Wiens Museen sind derzeit ein Dauerthema. Zuerst die
Vorwürfe um unkoordinierte Ausstellungspolitik. Dann die Aufregung über die
weitere Deckelung des Bundes-Museumsbudgets. Und schließlich die Debatte um
Sicherheit und Versicherungssummen im Gefolge des "Saliera"-Diebstahls.
MAK-Direktor Peter Noever behagt das alles nicht. "Dauernd zieht man
irgendwelche unpassenden bürokratischen Vergleiche und redet über die
Darstellung einzelner Institutionen. Wir sprechen nur mehr über die Eitelkeiten
der Museumsdirektoren und nicht mehr über die Kunst. Das ist die wirkliche
Krise."
Es gehe auch international derzeit nur noch um die Quantität oder
die Machart von Ausstellungen, nicht mehr um künstlerische Inhalte, kritisiert
Noever. In Österreich käme jedoch durch die Einfrierung der Budgets eine
Entwicklung hinzu, die doppelt tragisch sei: "Wenn wir, wie jetzt, kein
Ankaufsbudget mehr haben, schadet das sowohl den Häusern, als auch den
Künstlern. Außerdem hat man in den vergangenen Jahren viel Geld investiert, um
die Häuser auf internationales Niveau zu bringen, und jetzt verweigert man
relativ marginale Summen für die entsprechende Bespielung. Es heißt, wir sollen
uns dafür das Geld woanders holen. Aber bitte wo?"
Suche nach
Fremdfinanzierung
Nicht einmal für eine Ausstellung mit einem so
prominenten Zugpferd wie Zaha Hadid sei es trotz größter Anstrengungen gelungen,
nennenswerte Sponsorenhilfe aufzutreiben. Erst bei der für den Spätherbst
geplanten Ausstellung, die das Thema "Wiener Werkstätte" "von einer anderen
Seite aufzäumen" will, ist der Museumsdirektor einigermaßen optimistisch, dass
die nötige Fremdfinanzierung gelingen kann.
"Die Situation ist viel
ernster, als es jetzt den Anschein hat, denn das, was nicht getan wird, ist
jetzt nicht sichtbar", warnt Noever, "Jeder ist konfrontiert mit extremsten
Sparmaßnahmen und muss, wie ich, gegen seine Überzeugung etwa das Haus
vermieten. Das bringt Cash. Dabei entstehen bei genauer Rechnung so große
Abnützungen, dass sie das gleiche Geld wieder in die Renovierung stecken
müssen." Dazu käme "das unsägliche und unanständige Match" zwischen Bund und
Stadt Wien: "Das versteht niemand mehr."
"Diesen Ordnungsruf halte ich
für lebensgefährlich"
Auch kein Verständnis hat Noever, der am MAK
Ausstellungen über Otto Wagner, Jenny Holzer, Erwin Wurm und Peter Eisenman
vorbereitet, für die Forderung nach einem allgemeinen Museumskonzept, aus dem
eine klarere Ausstellungspolitik der einzelnen Häuser entstehen könnte: "Diesen
Ordnungsruf halte ich für lebensgefährlich. Das ist nichts anderes als die
Unfähigkeit, die Selbstständigkeit zu leben." Fazit: "Die ganze Situation ist so
bewegungslos und so entleert von künstlerischen Dingen. Dieses Land hat nur noch
den Anspruch, ein Kulturland zu sein, tut aber absolut nichts mehr dafür."
(APA)