Salzburger Nachrichten am 23. März 2006 - Bereich: Kultur
DIAGONALE
Reisen mit Amanshauser Muss Literatur Denkanstöße geben? "Die Aufgabe der Kunst ist die
Bezauberung", sagt der Salzburger Schriftsteller Gerhard Amanshauser in
einem TV-Interview. Wie um die Aussage zu unterstreichen, tänzelt der
78-Jährige in einer anderen Szene als imaginärer Zauberer mit einem
Zylinder auf dem Kopf durch den Garten vor seinem Haus. Oder als
Zirkusdirektor? Auf alten Schwarz-Weiß-Aufnahmen ist der Dichter als Kind
zu sehen, wie er in demselben Garten von Kunststücken als Artist träumt.
Zwei Jahre lang haben die beiden Salzburger Filmer Bernhard Braunstein und
David Gross für ihren Film "Reisen im eigenen Zimmer" den Autor Gerhard
Amanshauser immer wieder in seinem Haus besucht. Aus Filmschnipseln,
Fotos, archivierten Interviews und aktuellen Gesprächen haben sie eine
Doku erstellt, die in bewusst fragmentarischer Erzählweise den seit zwölf
Jahren an der Parkinson-Krankheit Leidenden ungeschminkt porträtiert: als
Mensch zwischen einer zerbrechlichen Gegenwart und starken Erinnerungen an
Reisen nach Asien oder Exkursionen in den Prater als Mitglied der
Hitlerjugend; und als Dichter zwischen überschäumender Fantasie und
langsamer Auflösung seiner Gedankenwelt. Für seine Doku "Kopfbahnbof" erhielt Braunstein bei der Diagonale 04 eine lobende
Erwähnung. "Reisen im eigenen Zimmer" wird heute, Donnerstag, bei der
Diagonale 06 uraufgeführt. Ab 27. 4. ist die Doku im Salzburger
Filmkulturzentrum "Das Kino" zu sehen. pac |