MuMok: Hommage an Antonin Artaud
Plastische Gestalten des Theaters der Grausamkeit
Von Brigitte Borchhardt-Birbaumer
Über die vielen Begabungen von Antonin Artaud (1896 bis 1948)
wurde bereits in der EXTRA-Beilage der "Wiener Zeitung" (6./7.
September) ausführlich berichtet. Neben dem Dichter, Wissenschaftler,
Schauspieler, Kritiker und Theatermacher blieb aber der bildende Künstler
ungewürdigt, daher sollen hier die wenigen Serien von Zeichnungen im
Vordergrund stehen, die in der Schau im MuMok bis 17. November an den
Wänden und in Vitrinen präsentiert werden. Die von Cathrin Pichler und
Hans Peter Litscher kuratierte Schau über diese komplexe Persönlichkeit
muss aber auch vom Gestalterischen sehr gelobt werden, da dieses Werk
eigentlich gegen jede Form von Präsentation widerständig ist. In dem
aus wenigen Serien bestehenden grafischen Schaffen Artauds, das zum
Großteil während den Aufenthalten in Kliniken bzw. am Ende seines Lebens
ab 1943 entstanden ist, zeigt sich eine enge geistige Verbindung zu seinem
Theater der Grausamkeit und zur pessimistischen Sicht eines hoch begabten
Menschen, der durch frühe Menengitiserkrankung und durch teils falsche
Diagnosen und zeitgemäße Behandlungen einer lebenslangen Tortur und
Todesnähe ausgesetzt war. Neben den magischen, von Brandspuren und
kabbalistischen Ziffern, Zeichen und Buchstaben durchsetzten
"Schicksalsbotschaften" gibt es die Notizhefte (Cahiers), einen Zyklus von
Porträts mit Kohlestift und die wohl wesentlichsten, relativ
großformatigen Arbeiten in Bleistift und Farbkreiden mit totemhaften
schwebenden Formen. Sie zeigen Automatenkörper, Einzelglieder,
Folterinstrumente, Schachteln, Figuren, Tiere, Nägel, Stöcke, Panzer,
Masken usw. auf zum Teil wie geschundenem Papier, sicher und bewusst
hingefetzt; sie vermitteln hohe Nervosität, Aggression, Verzweiflung und
sind, nach Aussage Artauds, die plastischen Gestalten seines Theaters der
Grausamkeit. Damit fügt sich seine Arbeitsweise bei aller Zerissenheit
doch zu einem Gesamtkonzept zusammen, die den Blick auf diese, für ihn
barbarische westliche Welt freigibt. Ihre Wirkung kann als magisch
bezeichnet werden, da die exorzistischen Rituale während ihrer Herstellung
spürbar werden und das innere Alphabet einer tiefen und feineren
Wahrnehmung von Schmerz und Enttäuschung in den Zeichen vermittelt wird.
Der verächtliche Umgang mit dem Material wie den Formen weist aber auch
auf die Verwurzelung Artauds im philosophischen Irrationalismus der
(klassischen) Moderne hin (Rainer Fuchs informiert darüber im Beiblatt).
In den Porträts werden die Dialogpartner der letzten Jahre mit
Nervenknoten abgetastet - eine nervöse Struktur, die uns von Kokoschka und
aus dem Expressionismus zwar bekannt, aber in dieser Psychologisierung
trotzdem einmalig bleibt. Die zeitlichen Bezüge des Künstlers zu den
Surrealisten (denen er kurz angehörte) hat Wolfgang Drechsler auf Ebene 7
mit Hängung einiger wichtiger Beispiele von Masson, Magritte, Delvaux u.
v. a. aus der Sammlung belegt.
Erschienen am: 05.11.2002 |
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