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18.10.2001 - Ausstellung
Das Flimmern werden wir nicht mehr los
"Televisionen" in der Kunsthalle Wien: Das Fernsehen als Objekt. Eine (nicht nur) an Flimmern und Rauschen reiche Schau.


Das Zwinkern der Augen, das Zucken der Kamera, sich polyrhythmisch überlagernd, gegenseitig aufstachelnd: Die Moderatoren, die talking heads der Nachrichtensender aus aller Welt werden wild in "Good Evening", einem Video der kroatischen Künstlergruppe "Apsolutno". Kollektive Epilepsie der News-Formate, organisch aus dem Puls des Mediums gewachsen. Schnitt.

Wie die Zeitung die Druckerschwärze, ist das Fernsehen nie wirklich seine Störgeräusche, sein Flimmern losgeworden. Man hört ein Fernsehgerät laufen, selbst wenn die Bilder stehen. Auch das sagt Julian Rosefeldts Vier-Bildschirme-Projektion "Global Soup", die Blicke der Verzweiflung und Entzückung, Gesten des Zornes und der Kontemplation, zusammenstellt zu einer quasi-anthropologischen Collage, in der auch Seifenopern-Bilder aus fernen Erdteilen nicht mehr fremd wirken. Und wenn die Gesichter multikulturell ruhig werden, erstarren, dann rauscht es. Global.

Genauso wird keine Zeitung das Flimmern los, wenn sie Fernsehbilder abdruckt. Das zeigt die "Movie-Television-News-History" von Sarah Charlesworth: die Bilder von der Ermordung eines ABC-Korrespondenten durch Nationalgarde-Soldaten Nicaraguas, allesamt völlig verrauscht, als ob das Ereignis durch seine Televisionierung nicht glaubhafter würde, sondern irrealer, so als ob durch doppeltes Festhalten (erst durch die Kamera, dann durch die Druckmaschine) das Geschehen wieder aus dem Griff käme.

Glühwürmchen in Acryl

Kein Flimmern mehr sieht man in "Fireflies - The Bombing of Bagdad": Denn hier wurde ein TV-Bild in Acryl gemalt und so von der immanenten Unrast befreit. Die Gruppe "Gala Committee" hat es aber erst recht ins Fernsehen gestellt, im Zuge einer erst heimlichen, dann geduldeten "Unterwanderung" der TV-Serie "Melrose Place". Abteilung: das wahre Medienmärchen von der netten Subversion.

Doch "Televisionen - Kunst sieht fern", kuratiert vom New Yorker Joshua Decker, ist keine lamentierende, keine vordergründig "populärkulturkritische" Ausstellung. Hier wird nicht die "Bilderflut" bejammert und auch nicht die "Manipulation", selbst im Katalog wird nicht wortreich "dekonstruiert". Hier wird ein Medium als Objekt der Kunst gezeigt, das seine Grabreden überlebt hat, wie das Kino, das Buch und der Benzinmotor. Oder wird es nur durch die Sentimentalität der mit dem Fernsehen aufgebrochenen Sixties-Kids gestützt, die die Magie der ins Wohnzimmer gepumpten Kathodenstrahlen nicht vergessen wollen?

Pipilotti Rist legt das in ihrer Installation "Das Zimmer" nahe: das zum Fernsehraum gewordene Wohnzimmer als Riesenlandschaft, aus kindlicher Sicht. Doch das Gerät steht nicht zentral, sondern kleinlaut unten in der Ecke, an der Wand hängt ein "Kunstbild" aus Rists Videoschaffen.

Stilleben im Studio

Kunst als freiwillig ärmlicher, sich selbst beschränkender Ersatz für das Fernsehen: Auch diesen "pädagogischen" Ansatz findet man in der Ausstellung kaum. Kaum Medienkunst, fast keine Videokunst im eigentlichen Sinn. Dafür das Fernsehen, sein Kasten und seine Produktionsbedingungen als Objekte der Betrachtung. Etwa in Peter Dombrowes "Bravo TV": eine orange-rote Landschaft aus weichen Zeichen, eine oberflächliche Höhle, über der ein Spot wie ein junger Stern zuckt.

Ähnlich ästhetisierend, festhaltend wirkt Thomas Demands "Studio": die Leere vor einer TV-Diskussion, mit namenlosen Schildern, vor einer farbig schreienden Tapete. Davor standen nach der Pressekonferenz die von dieser gebliebenen Mikrophone und Kabel, als ob sie aus dem Bild gefallen wären. Es wurde versichert, daß diese Ergänzung des Stillebens nicht geplant war . . .

Etwas gar suggestiv wirkt das "Test Pattern" der kanadischen Gruppe "General Idea": Das aus "TV-Dinner"-Tellern zusammengesetzte Bild ruft sehr laut, daß das Programm ähnlich angerichtet und serviert wird wie das begleitende Menü. Subtiler sind die in die Halle gestellten Ensembles von vor Neonlicht flackernden Mini-Luftmatratzen, die eben nicht genau die Ausmaße von Bildschirmen haben.

Wie sich dieses Format auch in die unaufgeräumtesten Junggesellenwohnungen einfügt und die Augen an sich zieht, zeigt eine simple Photoserie Joseph Zechners. Der Fernsehapparat wirkt selbst neben Stapeln alter Zeitungen repräsentativ - und wie präsentiert, in den Raum gerückt.

Dieses sanfte, aber unnachgiebige Herrschen formuliert vielleicht am lapidarsten Martin Becks Serie "Untitled": vier aus Abspännen geschnittene Einblendungen - "This film has been formatted to fit your TV." Das paßt auch als Gesamtmotto. Die entsprechende Internet-Ausstellung sehen wir uns übrigens in dreißig Jahren an. Soviel Zeit muß sein. Früher wäre verfrüht.

Bis 6. Jänner 2002, 10 bis 19 Uhr, Do. 10 bis 22 Uhr.



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