Das Zwinkern der Augen, das Zucken der Kamera, sich
polyrhythmisch überlagernd, gegenseitig aufstachelnd: Die Moderatoren, die
talking heads der Nachrichtensender aus aller Welt werden wild in
"Good Evening", einem Video der kroatischen Künstlergruppe "Apsolutno".
Kollektive Epilepsie der News-Formate, organisch aus dem Puls des
Mediums gewachsen. Schnitt.
Wie die Zeitung die Druckerschwärze, ist das Fernsehen
nie wirklich seine Störgeräusche, sein Flimmern losgeworden. Man hört ein
Fernsehgerät laufen, selbst wenn die Bilder stehen. Auch das sagt Julian
Rosefeldts Vier-Bildschirme-Projektion "Global Soup", die Blicke der
Verzweiflung und Entzückung, Gesten des Zornes und der Kontemplation,
zusammenstellt zu einer quasi-anthropologischen Collage, in der auch
Seifenopern-Bilder aus fernen Erdteilen nicht mehr fremd wirken. Und wenn
die Gesichter multikulturell ruhig werden, erstarren, dann rauscht es.
Global.
Genauso wird keine Zeitung das Flimmern los, wenn sie
Fernsehbilder abdruckt. Das zeigt die "Movie-Television-News-History" von
Sarah Charlesworth: die Bilder von der Ermordung eines ABC-Korrespondenten
durch Nationalgarde-Soldaten Nicaraguas, allesamt völlig verrauscht, als
ob das Ereignis durch seine Televisionierung nicht glaubhafter würde,
sondern irrealer, so als ob durch doppeltes Festhalten (erst durch die
Kamera, dann durch die Druckmaschine) das Geschehen wieder aus dem Griff
käme.
Glühwürmchen in Acryl
Kein Flimmern mehr sieht man in "Fireflies - The Bombing
of Bagdad": Denn hier wurde ein TV-Bild in Acryl gemalt und so von der
immanenten Unrast befreit. Die Gruppe "Gala Committee" hat es aber erst
recht ins Fernsehen gestellt, im Zuge einer erst heimlichen, dann
geduldeten "Unterwanderung" der TV-Serie "Melrose Place". Abteilung: das
wahre Medienmärchen von der netten Subversion.
Doch "Televisionen - Kunst sieht fern", kuratiert vom New
Yorker Joshua Decker, ist keine lamentierende, keine vordergründig
"populärkulturkritische" Ausstellung. Hier wird nicht die "Bilderflut"
bejammert und auch nicht die "Manipulation", selbst im Katalog wird nicht
wortreich "dekonstruiert". Hier wird ein Medium als Objekt der Kunst
gezeigt, das seine Grabreden überlebt hat, wie das Kino, das Buch und der
Benzinmotor. Oder wird es nur durch die Sentimentalität der mit dem
Fernsehen aufgebrochenen Sixties-Kids gestützt, die die Magie der ins
Wohnzimmer gepumpten Kathodenstrahlen nicht vergessen wollen?
Pipilotti Rist legt das in ihrer Installation "Das
Zimmer" nahe: das zum Fernsehraum gewordene Wohnzimmer als
Riesenlandschaft, aus kindlicher Sicht. Doch das Gerät steht nicht
zentral, sondern kleinlaut unten in der Ecke, an der Wand hängt ein
"Kunstbild" aus Rists Videoschaffen.
Stilleben im Studio
Kunst als freiwillig ärmlicher, sich selbst
beschränkender Ersatz für das Fernsehen: Auch diesen "pädagogischen"
Ansatz findet man in der Ausstellung kaum. Kaum Medienkunst, fast keine
Videokunst im eigentlichen Sinn. Dafür das Fernsehen, sein Kasten und
seine Produktionsbedingungen als Objekte der Betrachtung. Etwa in Peter
Dombrowes "Bravo TV": eine orange-rote Landschaft aus weichen Zeichen,
eine oberflächliche Höhle, über der ein Spot wie ein junger Stern zuckt.
Ähnlich ästhetisierend, festhaltend wirkt Thomas Demands
"Studio": die Leere vor einer TV-Diskussion, mit namenlosen Schildern, vor
einer farbig schreienden Tapete. Davor standen nach der Pressekonferenz
die von dieser gebliebenen Mikrophone und Kabel, als ob sie aus dem Bild
gefallen wären. Es wurde versichert, daß diese Ergänzung des Stillebens
nicht geplant war . . .
Etwas gar suggestiv wirkt das "Test Pattern" der
kanadischen Gruppe "General Idea": Das aus "TV-Dinner"-Tellern
zusammengesetzte Bild ruft sehr laut, daß das Programm ähnlich angerichtet
und serviert wird wie das begleitende Menü. Subtiler sind die in die Halle
gestellten Ensembles von vor Neonlicht flackernden Mini-Luftmatratzen, die
eben nicht genau die Ausmaße von Bildschirmen haben.
Wie sich dieses Format auch in die unaufgeräumtesten
Junggesellenwohnungen einfügt und die Augen an sich zieht, zeigt eine
simple Photoserie Joseph Zechners. Der Fernsehapparat wirkt selbst neben
Stapeln alter Zeitungen repräsentativ - und wie präsentiert, in den Raum
gerückt.
Dieses sanfte, aber unnachgiebige Herrschen formuliert
vielleicht am lapidarsten Martin Becks Serie "Untitled": vier aus
Abspännen geschnittene Einblendungen - "This film has been formatted to
fit your TV." Das paßt auch als Gesamtmotto. Die entsprechende
Internet-Ausstellung sehen wir uns übrigens in dreißig Jahren an. Soviel
Zeit muß sein. Früher wäre verfrüht.
Bis 6. Jänner 2002, 10 bis 19 Uhr, Do. 10 bis 22
Uhr.
© Die Presse | Wien