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Kunst: Alles dreht sich um Herbert Brandl

07.08.2010 | 18:29 | von Sabine B. Vogel (Die Presse)

Der Sammler Thomas Angermair konzentriert sich auf das Werk Herbert Brandls. Zu dessen 60. Geburtstag möchte er ihm ein Museum errichten - mit einem "großen Tisch für gesellige Treffen".

Sammelstelle“ nennt er das Gassenlokal links neben dem Eingang. Früher war es eine Rahmenhandlung. Jetzt ist der Mieter ausgezogen, und Thomas Angermair stapelt hier die verpackten Kunstwerke. Er komme kaum zum Auspacken, einiges sei auch noch gar nicht angeliefert worden, erklärt er. Der gebürtige Wiener ist seit 1993 Partner und Leiter des Arbeitsrechtsteams in der Rechtsanwaltskanzlei Dorda Brugger Jordis. Vor allem aber ist Angermair leidenschaftlicher Kunstsammler.

Einige Bilder lehnen dann doch ausgepackt an der Wand, abstrakte Farbflächen, Druckgrafiken, Landschaften – allesamt von Herbert Brandl. Wenige Schritte weiter betreten wir ein zweites Geschäftslokal. Es ist einer der postmodernen Architekturhöhepunkte Wiens, das 1985 von Coop Himmelb(l)au umgebaute Atelier Baumann mit der schrägen Rampe, die den öffentlichen Raum in das Innere „hineinsaugt“, wie es einmal beschrieben wurde. Katja Angermair hat hier ihr arbeitsmedizinisches Zentrum mit einem großen Besprechungstisch. Die gesamte Wand dahinter nimmt ein Riesenformat ein – eine Landschaft von Herbert Brandl. Oben in der Wohnung der Familie sind es wieder die Bilder des Wiener Malers, die die Räume bestimmen, das große, braune Waldbild hinter dem Esstisch, der blaue Berg hinter der Couch, die Flusslandschaft direkt hinter dem Fernseher – wenn der Film langweilig wird, kann das Auge in die Tiefe des Bildes abgleiten.

Es ist eine interessante Entscheidung, sich als Sammler auf nur einen Künstler zu konzentrieren. Zwar kauft Angermair auch andere Werke, von Walter Vopova oder Franz Graf. In seinem Haus in Klosterneuburg hängen auch frühe Bilder von Erwin Bohatsch. Aber eigentlich dreht sich alles um Brandl. Begonnen hat Angermair damit bei einer Charity-Auktion in den 1990er-Jahren, bei der er seinen ersten Brandl ersteigerte. Damals kannte er den Maler noch nicht persönlich. Heute sind sie befreundet. Dazwischen liegt der Weg der intensiven Beschäftigung mit dem Werk, die im letzten Jahr dazu führte, dass Angermair auf Brandls Personale in den Hamburger Deichtorhallen sechs der großen Bilder kaufte – und auf die Idee kam, ein eigenes Museum für ihn zu errichten.


Wohnmuseum geplant.
Ob für Picasso in Barcelona oder Henry Matisse in Nizza, für Arnulf Rainer in Krems oder Hermann Nitsch in Mistelbach – immer sind es männliche Maler, denen ein ganzes Haus eingerichtet wird. Was nur ist an dieser monografischen Ausrichtung so faszinierend? „Ich möchte einen Betrachtungsort mit optimalen Lichtverhältnissen und Raumanordnungen schaffen. Außerdem bin ich ein geselliger Mensch – und so kann ich beides verbinden“, erklärt Angermair. Eine Art „Wohnmuseum“ schwebt ihm vor, „nicht mit Dusche, aber mit einem großen Tisch für gemeinsame Treffen“. Aber warum nur für einen Maler? In den Farben, Techniken und Motiven sei Brandl der komplexeste und überraschendste Künstler für ihn, bei dem es genug zu entdecken gäbe, um immer wieder andere Hängungen auszuprobieren – vielleicht auch im Dialog mit anderen Künstlern.

Die Idee dazu kam dem Sammler, als er von Nitschs Museum zu dessen 70.Geburtstag las. „Der Brandl soll sein Museum zum 60.Geburtstag erhalten“, beschloss Angermair – also in neun Jahren. Platz dafür ist vorhanden, denn das Wochenendhaus in Weidling steht auf einem großen Grund mit Baufläche. Einen Architekten hat er noch nicht beauftragt, er schaut sich noch um, wie andere Sammler ihre Museen anlegen. Aber der Plan motiviert ihn jedes Jahr mehr, seine Sammlung in großen Schritten zu erweitern. Systematisch kauft er das bisher wenig bekannte grafische Werk aus den 1980er-Jahren auf. Allein letztes Jahr kamen ca. 70 Gemälde hinzu, heuer sind es bis Ende Juni bereits 30. Zwischen 40.000 bis 80.000 Euro kosten die größeren Formate. Bald möchte er kleinere Ausstellungen in der „Sammelstelle“ am Börseplatz in Wien im ausgebauten Untergeschoß einrichten. Wer das Publikum sein soll? „Es muss niemand kommen. Es soll der eigenen Erbauung dienen. Ich habe durchaus ein Interesse an der Vermittlung meiner Faszination für die Bilder von Herbert Brandl, aber im kleinen Kreis, eher für Verwandte und Freunde.“


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