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21.09.2004 - Kultur&Medien / Ausstellung
Kritik Ausstellung: Wenn das Es einkaufen geht
VON JOHANNA HOFLEITNER
Ist sie denn wirklich so schwierig, die Installation, die Silvia Kolbowski in die Wiener Secession gestellt hat?

B
itte nicht immer gleich ätzen, wenn's mal ein wenig hoch her geht! Ja, die Ton-&-Video-Installa tion, die die Amerikanerin Silvia Kolbowski, Jahrgang 1953, für die Secession erarbeitet hat, ist spröde. Ja, sie erschließt sich einem nicht sofort in ihrer Gänze. Ja, sie ist nicht nur konzeptuell, sondern geradezu neo-konzeptuell, was einiges an Theorie und Reflexion bedeutet.

Den paar Touristen, die sich vor oder nach Konsum des Beethoven-Fries' in den großen Ausstellungsraum der Secession verirrt haben, scheint das nichts auszumachen. Und das ist wahrscheinlich der springende Punkt. Sie sind unvoreingenommen. Sie haben von Kolbowski wohl noch nie gehört. Sie assoziieren nichts, wenn der Name "October" fällt - des Theoriemagazins, in dessen Redaktion Kolbowski in den Neunzigern saß, was sie vom Kunstmachen eher abhielt, und an dem sich die eine Hälfte der Kritiker und Kuratoren dieser Welt bildet und schult, während die andere von zu viel Intellekt nichts hält. Und diesen Touris fällt möglicherweise nicht einmal viel zum Namen Peter Eisenman ein, dem Architekten des Berliner Holocaust-Memorials, mit dem Kolbowski viele Jahre zusammenarbeitete.

Die Touristen also flanieren vorbehaltlos herum. Wozu Kolbowskis Installation herzlich einlädt. Denn völlig unbeeindruckt von der Aura des dreischiffigen Saals hat sie dort, als wäre er ein Hangar, drei garagenartige, mit Schaumstoff gedämmte Holzbauten errichtet, zwischen denen viel Platz frei ist. Doch auch wenn diese schlichten Seekiefernkobel einfach gut aussehen, besteht ihre Funktion vor allem darin, zu verhindern, dass einander die drei Installationen (aus O-Tönen und Video-Bildern) zu den Themen Macht, Shopping, Kunst akustisch und visuell in die Quere kommen.

Zumindest zwei dieser Themen sind alltäglich: Denn lustvoll Einkaufen tut Frau wie Mann, auch Machtgelüste sind beiderlei Geschlechtern nicht fremd. Kolbowski zeichnete Interviews mit Erwachsenen auf, um dann die Spuren des Unbewussten freizulegen - in "Like Looking Away" deutlich gemacht, indem das Wörtchen "Shopping" konsequent durch "it" ersetzt ist - also "Es", Repräsentant des Unbewussten.

Für die Macht-Installation erweitert Kolbowski die Interviews um Bilder aus Pop- und Hochkultur, ausgesucht von sieben- bis elfjährigen Buben: Batman, Airforce No. 1, die Sonnen, George Bush, Goyas "Schlaf der Vernunft" - und was für US-Boys sonst noch Macht symbolisiert. Fürs Verständnis beider Arbeiten ist es nicht entscheidend, die geloopten Ton- und Video-Bänder ganz durchzuarbeiten, vielmehr sind es die Widerhaken der Texte und Bilder, die eigene Erinnerungen und Erlebnisse wachrufen.

Beim dritten Thema arbeitet Kolbowski mit Erinnerungen von Künstlern: In dieser "inadequate history of conceptual art" sind über B-&-O-Fetischanlage Vito Acconci, Hans Haacke, Mary Kelly u. a. zu hören, wie sie sich an Begegnungen mit Konzeptkunst erinnern, indessen zeigt das Bild nichts als die Hände der Gesprächspartner. Ein "inadäquater" Hinweis darauf, dass Kunst immer auch Handarbeit ist. Bei aller Kopflastigkeit.

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