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31.07.2003 - Ausstellung
Kunstmarkt: Schlimm und würdig
Festspielzeit in Salzburg auch für die Galerien: Anselm Kiefer, Licht wie Schatten - und viele nette Tränen.
VON ALMUTH SPIEGLER


N
aughty but nice." Sylvie Fleurys kesser grüner Leuchtspruch wird sich in Salzburg sicher gut verkau fen. Ein bisserl unanständig darf man hier schon sein, aber immer brav ausschauen sollte man dabei. Gelatin wird sich das wohl nicht zu Herzen nehmen. Ein Herz gefasst hat sich aber die deutsche Galerie "Sprüth Magers Lee" und ist heuer für einen Monat nach Salzburg übersiedelt. Als seltener ausländischer Gast unter Salzburgs Galerien. Und als eine ziemliche Konkurrenz.

Um Sylvie Fleurys Leuchtobjekte im Zentrum der Gruppenausstellung "Shadow and Light" reihen sich in der ehemaligen Tanzschule Arbeiten von Bruce Naumann ("Eat War" von 1980, 325.000 Dollar), Jenny Holzer, Gilbert & George und eine "Moving Wall" von Rosemarie Trockel. Eine Rarität die frühe Fotoserie von Cindy Sherman aus 1976: "Busriders", um 150.000 Dollar. Das Eigenheim bemalen kann man sich mit Kara Walkers Schatten-Wandbild. Die Folie mit Lizenz zum Ausmalen kostet 7500 Euro.

Zum ersten Mal gastieren "Sprüth Magers Lee" in Salzburg - "praktisch alle unserer Kunden sind in den nächsten Wochen hier", sind sich die beiden Galeristinnen sicher. Weniger sicher waren sich heuer die Wiener Galerien. Sowohl Ursula Krinzinger als auch Meyer Kainer - die 2002 in der ehemaligen Tanzschule ausstellten - blieben Salzburg heuer fern. Zu viele anstrengende Messebeteiligungen, zu wenig interessiertes internationales Publikum sind die Begründungen. Heike Curtze und Feichtner & Mizrahi sind in diesem Jahr die einzigen beiden Wiener Vertreter, beide setzen sie auf Querschnitte durch ihre Programme.

Der unangefochtene "Leader of the pack" - nicht nur in Salzburg - ist allerdings einmal mehr Thaddaeus Ropac, der mit einer Einzelausstellung von Anselm Kiefer dominiert. Persönlich suchte der Galerist für seine erste große Kiefer-Personale die Exponate im südfranzösischen Atelier-Gelände des scheuen deutschen Malerfürsten aus. Die für Kiefer ungewöhnlich unbeschwerten Gemälde und Skulpturen, alle aus 2002 und 2003, verwandeln die Räumlichkeiten am Mirabellplatz in lichte Gedächtnis-Speicher. Die großformatigen Bilder rangieren zwischen 300.000 und 400.000 € die Skulpturen zwischen 160.000 und 250.000 €.

Sorgen um Kundschaft braucht sich Ropac bei Kiefer jedenfalls nicht zu machen: "Am Tag der Eröffnung war alles ausverkauft", sagt er ungerührt. Österreichische Sammler habe der Künstler bisher praktisch keine, erklärt der Galerist das wunderliche Kiefer-Vakuum in Österreich. Ein wichtiger heimischer Sammler und ein Museum sollen sich jetzt interessieren. Ein Phänomen, das selbst Ropac nicht erklären kann, ist Kiefers Präsenz in Japan und Korea: "Seit den 80er Jahren gilt Kiefer hier gemeinsam mit Gerhard Richter als Synonym für europäische Malerei."

Mutig für eine Einzelausstellung hat sich auch die Galerie Academia entschieden und mit Jaume Plensa unbeabsichtigt einen neuen wunden Punkt Salzburgs getroffen: Während in der Dependance der Galerie am Ignaz-Rieder-Kai 24 "Kinder Freuds" ihre Tränen in triste Wasserbottiche kullern lassen, richtet es sich in den Gewölben in der Residenz wieder einmal auf, das Männliche - "naughty", aber diesmal auch "nice".



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