"Zu- und Abnehmen ist Arbeit am Volumen. Bildhauerei ist Arbeit am Volumen. Also ist Zu- und Abnehmen Bildhauerei." Erwin Wurm entdeckt die Skulptur im Körper. |
Schon damals war Marcel Duchamp mehr als bloßer Stichwortlieferant, wie etwa die futuristisch aufgelöste "Figur auf der Treppe" von 1983 unter Beweis stellt. Dem Leitbild entspricht dann auch der baldige Verzicht auf Manufaktur, der Einsatz vorgefertigter Gebrauchsgegenstände in den Neunzigerjahren, die nun in der Neuen Galerie in Graz resümiert sind.
Handelsübliche Pullover, nach genau vorgeschriebener Faltung über je zwei in die Wand geschlagene Nägel gehängt, werden ihrer Gebrauchsgängigkeit schnell enthoben. Zu abstrakt-plastischem Eigenleben wird auch den Kleidungsstücken verholfen, welche Wurm über geometrische, die jeweilige Konfektionsgröße gerade noch nicht sprengende Körper spannt. Die glattbüglerische Trotzigkeit im Umgang mit den der Körperform des Menschen angepassten, nun aber überflüssigen Teilen der Kleider bezeugt die Dysfunktionalität des Ausgangsmaterials und erzählt in Persiflage einfachster Proportionsschemata vom Normalbenutzer als Abwesendem. In "59 Positionen" wieder zurück in die Pullover gesteckt, bleibt dieser in Missachtung regulärer Garderobekonventionen oft gänzlich im Strickwerk verstrickt, erscheint als amorphe Gestalt.
Palmers-Plakat von Erwin Wurm |
Einige der zwischen die Rezepturen geschalteten Unterweisungen greifen den Beschriftungen der jüngst entstandenen C-Print-Serie vor, in welcher Wurm das Bild des faulen, seine Lebens- und Arbeitszeit sinnlos verplempernden Künstlers karikierend an der eigenen Person vorführt und der Allgemeinheit zur Nachahmung empfiehlt.
Den Kernstock des Gezeigten bilden die (auch in der Galerie CC gezeigten) getreu den wörtlichen wie zeichnerischen Instruktionen ausgeführten "one-minute-sculptures". Sie verlangen vom posierend Verrenkten bzw. vom Arrangeur der vorgezeichneten Gegenstandswelt nicht selten einiges an artistischer Geschicklichkeit. Skulptur erweist sich als fotografisch dokumentierte Handlungsform.
Den vorprogrammierten Höhepunkt stellt die zur Nachahmung bereitgestellte Plattform plus Aktionsinventar dar. Für die Gegenleistung eines Euro kann sich der Besucher mittels Polaroidkamera selbst als einminütige Skulptur verewigen. Legt er weitere 100 Euro drauf und schickt das Foto an den Künstler, erhält er es signiert retourniert.
Die vom Kurator Peter Weibl sortierte, über die Kunst des 20. Jahrhunderts
gebreitete Historie sollte übrigens niemanden abschrecken: Berichtet wird darin
die Entwicklung von der Skulptur zum Objekt und weiter zur Handlung.
(DER
STANDARD, Print-Ausgabe, 04.02. 2002)
"Fat Survival" Graz: Neue Galerie, Sackstraße 16 bis 31. März und: Galerie CC, Landhausgasse 10 bis 15. Februar. |