In Europa gibt es alljährlich drei große
Lebensmittel-Schlachten. In dem spanischen Ort Haro im Weinbaugebiet
Rioja beschütten einander im Juni die Bewohner mit Tausenden Litern
Rotwein. Gespritzt und vergossen wird der "vino tinto" mittels
außergewöhnlicher Behältnisse: Neben Eimern, Weinschläuchen,
Feuerwehrspritzen und Wasserpistolen kommen bei solcher Gelegenheit
sogar WC-Spülkästen zum Einsatz.
Ebenfalls in Spanien, nämlich in Buñol bei
Valencia, bewerfen einander Jahr für Jahr im August bis zu 20.000
Personen mit etwa 100 Tonnen Tomaten, bis sich die Straßen in
regelrechte Ketchup-Bäche verwandeln.
Am buntesten treiben es jedoch die Einwohner der piemontesischen
Stadt Ivrea, wo zur Karnevalszeit die traditionelle Orangenschlacht
stattfindet. Das Österreichische Museum für Volkskunde hat diesem
kuriosen Brauch nun eine eigene Fotoausstellung gewidmet. Im Rahmen des
Europäischen Monats der Fotografie im November 2006 präsentiert dort
die russischstämmige, in Wien lebende Fotografin Rina Grinn den
Orangenkrieg von Ivrea im Wege einer Kunstinstallation.
Gemeinsam mit dem Szenografen Thomas Geisler inszeniert die
Künstlerin ihre Fotos als Modell gruppendynamischer Prozesse innerhalb
einer Menschenmenge. In diesem Kontext wird ein breites Spektrum
menschlicher Ausdrucksformen, wie Siegestaumel, Erregung, Aggression,
Angst und Schmerz, in gekonnter Szenenabfolge zur Schau gestellt.
Der Ursprung des Brauches soll angeblich bereits im 12. Jahrhundert
liegen. Einer legendarischen Überlieferung zufolge habe zu jener Zeit
ein Lehensherr das Volk gegen sich aufgebracht, weil er jahrelang das
Recht der ersten Nacht mit den Bräuten der Stadt ( "ius primae noctis"
) einforderte. Die Müllerstochter Violetta, so wird berichtet, habe dem
Lüstling aber schließlich den Kopf abgeschnitten und damit einen
Volksaufstand ausgelöst.
Heute spielen in der Dramaturgie des Spektakels sowohl Violetta als
auch der Tyrann eine Rolle. Tausende Orangenwerfer stürmen auf die in
Streitwägen befindlichen Tyrannenwächter los. Auf diese Weise werden
bei dem Happening jährlich rund 350 Tonnen Orangen vernichtet.
Im Zusammenhang mit der Ausstellung findet im Volkskundemuseum am
30. November, um 18 Uhr, der Vortrag von Jan Tabor "Orange. Die
Kulturgeschichte einer Kampffarbe" statt.
Orangenkrieg – Proben für den Volksaufstand. Kunstinstallation im
Österreichischen Museum für Volkskunde (bis 10. 12.). 1010 Wien,
Laudongasse 15–19
Geöffnet: Di. bis So. 10 bis 17 Uhr
Info im Web: http://www.volkskundemuseum.at
Wiener Museumsstücke Von Johann Werfring
Mittwoch, 22. November 2006