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derStandard.at | Kultur | Bildende Kunst 
12. September 2006
20:04 MESZ
Ausstellung bis 18. Oktober 
Foto: Galerie Thoman
Der Blick ins Bad der Innsbrucker Galerie Thoman aus objektiver Perspektive und zugleich aus jener von Paul Thuile.

Fragen der Perspektive in der Innsbrucker Galerie Thoman
Mit Georges Rousse und Paul Thuile stellt man zwei sehr unterschiedliche Strategien der Raumbetrachtung nebeneinander

Die zarte Annäherung hält dabei der großen Geste durchaus stand.


Innsbruck - Was Georges Rousse in Räumen sieht, will sichtbar gemacht werden. Wie Paul Thuile die Räume sieht, wird ebendiesen eingeschrieben. Beider Raumbetrachtung gebiert Fotos, Abbilder ihrer jeweiligen Wahrnehmung. Aber die Bilder kommen erst ganz zum Schluss als Dokumente für Dritte, als Beleg der jeweiligen Beziehungsarbeit, als handelbares Dokument intimer Praktiken.

Georges Rousse kann Räume nicht in Ruhe lassen, er interveniert, er malt und baut ein, was ihm vorschwebt. Er manipuliert das so anregende Umfeld aber nicht etwa, um sich dort einzurichten, um Behaglichkeit und Atmosphäre zu steigern, er macht sich den Raum nicht häuselbauerisch untertan, er zwingt ihn bloß, ein Bild abzugeben, dass seinen Intentionen entspricht - die Zutaten für ein Foto zu liefern, das staunen macht.

Georges Rousse überzieht Böden, Wände, Decken und Gegenstände mit Farbe. Wenn es sein muss, baut er auch ergänzende Elemente auf. Das alles nur, um einem Einäugigen von einer bestimmten Perspektive aus eine Illusion zu vermitteln, den Eindruck, als schwebte eine dunkle Ellipse im Raum, als bestimmte ein schwarzes Quadrat dessen Zentrum, als wäre da ein alles dominierender weißer Kreis.

Georges Rousses Zurichtungen von Raum sind für Kameraobjektive bestimmt, sind so plangenau wie akribisch ausgeführte Manipulationen des Dreidimensionalen - mit dem Ziel, im Abbild jeden Hinweis darauf zu verwischen, ob der Eingriff in Wirklichkeit oder (heute naheliegend) am Photoshop stattgefunden hat. Georges Rousse fusioniert die althergebrachten Techniken Malerei, Plastik, Fotografie, um anschaulich zu machen, was Meditationen über Räume generieren können, was ein sich Einlassen auf Architektur bewirken kann, was letztlich an wundersamen Erscheinungen ans Licht tritt, wenn einer die angeblich so scharf gezogenen Grenzen zwischen den Dimensionen nicht einfach hinnimmt. Und am Photoshop lässt es sich eben nicht gut meditieren. Ein Raum will im Realen erfahren werden, um sich zu öffnen, um preiszugeben, was noch so alles in ihm steckt. Das Durchschreiten lässt sich nicht simulieren, die Sensation eines Lichteinfalls von rechts, unvermutet sanfte Gefälle und sonstige Abweichungen von der "Norm" treten in der Simulation nicht auf. Georges Rousses Arbeit ist untrennbar dem Leben verbunden, seine Fotos als körperliche Sensation erfahrbar.

Raumgeheimnisse

Paul Thuile, dessen ebenfalls fotografische Dokumente jenen von Georges Rousse vis-à-vis in den Raum der Galerie Thoman gehängt wurden, denkt nicht unmittelbar an die Kamera, wenn ihm ein Raum bemerkenswert erscheint. Er deutet Räume nicht völlig um, unterwirft sie nicht dem einen Zweck, aus festgelegtem Winkel ein Geheimnis offen zu legen. Paul Thuile signiert, er zeichnet Räume. Erscheint ihm eine Perspektive von Wert um festgehalten zu werden, ein Blickwinkel von besonderer Qualität, dann wählt er die von dort aus gesehen nächste Wand um zeichnerisch festzuhalten, was ihm eben vor die Augen kam. Und markiert die Situation mit unverkennbar eigenständigem Strich. (Paul Thuile war da.)

Was zunächst als Verdoppelung erscheint, ist schon in der Phase der Zeichnung Kommentar. Schon der Ausschnitt, vielmehr aber noch der verzerrte Blickwinkel, der sich aus der Nähe des Zeichners zur Wand ergibt, deuten die Situation. Bisweilen gibt Paul Thuile seinen Eingriff schon in dieser Phase zur Betrachtung frei, lässt Dritte seine Betrachtung und deren Vorbild simultan erleben.

Weit öfter aber zieht er eine weitere Ebene ein, rückt die signierte Welt vermittels Foto noch weiter auf Distanz. Fotografiert wird dabei nicht wirklich dokumentarisch: Kalkulierte Zonen von Schärfe und Unschärfe legen konkrete "Stimmungen" nahe, forcieren - bisweilen all zu zwingend - bestimmte Sichtweisen. (Markus Mittringer /DER STANDARD, Printausgabe, 13.9.2006)


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