Mitte der 90er-Jahre war Europas Künstlerschaft
schwer beunruhigt. Figürliche Maler der Akademie in Leipzig waren
aufgetreten – und plötzlich wurden davor verworfene Phänomene wieder
wichtig: Malerei, die sich nicht mehr linkisch, sondern perfektionistisch
gibt, auch die Frage nach neuen Inhalten neben reiner
Selbstreflexion.
Klar, dass so eine Richtung auch Sammler besonders interessiert. Das
Ehepaar Essl fuhr öfter in die ehemals noch graue Ex-DDR-Stadt, die nach
der Wende nicht nur am Buchsektor wieder europäischen Rang anstrebte.
Mittlerweile besitzt das Museum in Klosterneuburg an die 70 bis 80 Werke
von etwa 20 Künstlerinnen und Künstlern. Die große Schau "Made in Leipzig.
Bilder aus einer Stadt" besteht dennoch zur Hälfte aus Leihgaben, der
Kurator ist der Direktor des dortigen Museums.
Anziehende Boomtown
Nicht nur die Lehrer-Generation an der Leipziger Hochschule für Grafik
und Buchkunst – neben Neo Rauch etwa Arno Rink und Sighard Gille – hat die
Stadt zur absoluten Boomtown aufsteigen lassen. Trotz der Öffnung nach der
Wende 1989 herrscht starke Kontinuität an der Akademie. Wer dort gelernt
hat und bekannt wurde, der lehrt auch dort. Selbst wenn es verlockende
Angebote aus dem Ausland gibt. Um ihre Namen zu etablieren und
international zu verkaufen, ist aber auch die Schülergeneration für ein
Jahr nach Berlin gegangen. Tilo Schulz zeigt am Beginn der Ausstellung
eine Installation, die eine Selbstdarstellung der Hochschule perfekt
vorführt – angefangen bei den alten Zeiten der Konkurrenz zwischen
Grafikern und Malern in Dresden und der Widerständigkeit von Bernhard
Heisig, Werner Tübke und Wolfgang Mattheuer in den 60er-Jahren. Sie
führten nicht nur die Malerei an der Akademie ein, sie entzogen sich auch
leise dem Einfluss des Sozialistischen Realismus. Ihre Schüler etablierten
eine Figurenmalerei, die atomisierte Inhalte verwirrend und befremdend in
Architekturen und Landschaften verteilt.
Entdeckung der Stille
Die Entdeckung von Langsamkeit, Stille, manchmal auch Kühle gilt auch
für die ebenso starke Fotografie einer Riccarda Roggan, Evelyn Richter
oder für die farbigen Bunkerschönheiten von Erasmus Schröter, die einen
bereits hohen Bekanntheitsgrad aufweisen. Nahezu
Zentralperspektivansichten von Innen- und Außenräumen in reduziertem wie
starkem Kolorismus interessieren Ulf Puder, David Schnell oder Henriette
Grahnert – die Erzählung ist dabei eher gering. Besonders wichtig für die
Leipziger Schule scheinen aber jene beinahe märchenhaften Bilder von Tilo
Baumgärtel, Peter Busch, Christian Brandl oder Rosa Loy, die aus
Anordnungen und einfachen Gesten Geheimnisse für den Betrachter entstehen
lassen. Eindrucksvoll auch der riesige nächtliche Holzschnitt von
Christiane Baumgartner, die eine besondere Verbindung von Foto und Malerei
zeigt, die auch bei anderen wichtig ist.
Bilder einer Stadt
Hans-Werner Schmidt, 2006
Sammlung Essl
Klosterneuburg
Bis 3. September
Erfolgsgeschichte.
Dienstag, 30. Mai
2006