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Kunstberichte

Aus dem Schatten herausgetreten

Sammlung Essl Klosterneuburg zeigt unter dem Titel "Made in Leipzig" populäre Kunst der Leipziger Schule
Illustration
- Farbenfrohes Zeugnis vom Hype um Leipzig: David Schnells „12:02“.  Foto: VBK, Wien, 2006

Farbenfrohes Zeugnis vom Hype um Leipzig: David Schnells „12:02“. Foto: VBK, Wien, 2006

Von Brigitte Borchhardt-Birbaumer

Mitte der 90er-Jahre war Europas Künstlerschaft schwer beunruhigt. Figürliche Maler der Akademie in Leipzig waren aufgetreten – und plötzlich wurden davor verworfene Phänomene wieder wichtig: Malerei, die sich nicht mehr linkisch, sondern perfektionistisch gibt, auch die Frage nach neuen Inhalten neben reiner Selbstreflexion.

Klar, dass so eine Richtung auch Sammler besonders interessiert. Das Ehepaar Essl fuhr öfter in die ehemals noch graue Ex-DDR-Stadt, die nach der Wende nicht nur am Buchsektor wieder europäischen Rang anstrebte. Mittlerweile besitzt das Museum in Klosterneuburg an die 70 bis 80 Werke von etwa 20 Künstlerinnen und Künstlern. Die große Schau "Made in Leipzig. Bilder aus einer Stadt" besteht dennoch zur Hälfte aus Leihgaben, der Kurator ist der Direktor des dortigen Museums.

Anziehende Boomtown

Nicht nur die Lehrer-Generation an der Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst – neben Neo Rauch etwa Arno Rink und Sighard Gille – hat die Stadt zur absoluten Boomtown aufsteigen lassen. Trotz der Öffnung nach der Wende 1989 herrscht starke Kontinuität an der Akademie. Wer dort gelernt hat und bekannt wurde, der lehrt auch dort. Selbst wenn es verlockende Angebote aus dem Ausland gibt. Um ihre Namen zu etablieren und international zu verkaufen, ist aber auch die Schülergeneration für ein Jahr nach Berlin gegangen. Tilo Schulz zeigt am Beginn der Ausstellung eine Installation, die eine Selbstdarstellung der Hochschule perfekt vorführt – angefangen bei den alten Zeiten der Konkurrenz zwischen Grafikern und Malern in Dresden und der Widerständigkeit von Bernhard Heisig, Werner Tübke und Wolfgang Mattheuer in den 60er-Jahren. Sie führten nicht nur die Malerei an der Akademie ein, sie entzogen sich auch leise dem Einfluss des Sozialistischen Realismus. Ihre Schüler etablierten eine Figurenmalerei, die atomisierte Inhalte verwirrend und befremdend in Architekturen und Landschaften verteilt.

Entdeckung der Stille

Die Entdeckung von Langsamkeit, Stille, manchmal auch Kühle gilt auch für die ebenso starke Fotografie einer Riccarda Roggan, Evelyn Richter oder für die farbigen Bunkerschönheiten von Erasmus Schröter, die einen bereits hohen Bekanntheitsgrad aufweisen. Nahezu Zentralperspektivansichten von Innen- und Außenräumen in reduziertem wie starkem Kolorismus interessieren Ulf Puder, David Schnell oder Henriette Grahnert – die Erzählung ist dabei eher gering. Besonders wichtig für die Leipziger Schule scheinen aber jene beinahe märchenhaften Bilder von Tilo Baumgärtel, Peter Busch, Christian Brandl oder Rosa Loy, die aus Anordnungen und einfachen Gesten Geheimnisse für den Betrachter entstehen lassen. Eindrucksvoll auch der riesige nächtliche Holzschnitt von Christiane Baumgartner, die eine besondere Verbindung von Foto und Malerei zeigt, die auch bei anderen wichtig ist.

Bilder einer Stadt

Hans-Werner Schmidt, 2006

Sammlung Essl

Klosterneuburg

Bis 3. September

Erfolgsgeschichte.

Dienstag, 30. Mai 2006


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