Zuerst Torte, dann Voodoo
Von Claudia Aigner
In der Galerie Cult (Bandgasse 19) bleibt man dieser Tage
frisch wie die Wurst im Kühlschrank. (Es wird nämlich nicht wirklich
geheizt.) Die ganzen drei Stunden hindurch, die man ungefähr braucht, um
die 52 Fotoalben von 52 Künstlern durchzublättern, wird man also ganz
bestimmt nicht ranzig. Bis 31. Dezember. Erich Praschak hat die
orangen Alben ausgeteilt, in der Hoffnung, 52 künstlerische
Millenniums-Alben zum Jahr der österreichischen "Zeitenwende"
zurückzubekommen. Ein gewisser Franz Schubert hat da eine
Totalverweigerung abgeliefert und sein Album einfach mit Klebstoff voll
laufen lassen. Sein Familienalbum im Leim zu ertränken kann ja unter
gewissen Umständen so aussagekräftig sein wie: eine Torte in einem
FPÖ-Gesicht zu "deponieren". (Auch wenn beide Arten der
"Gegenwartsbewältigung" doch eher billig und plakativ und eigentlich
äußerst banal sind.) Auf den Mann, der unseren Herrn Bundespräsidenten
um ein Haar mit Humpty Dumpty verwechselt hätte (österreichisch
gesprochen: "Hump-ti Dump-ti"), wurde übrigens ein feiger Anschlag mit
regelrechten Voodoo-Methoden verübt. Sollte er am 29. Oktober irgendwann
einmal ein Pieksen im Gesicht gespürt oder ebendort drei Wimmerln gekriegt
haben, dann weiß Ronald Kodritsch, warum (der hat ja die finstere Tat
fotografisch dokumentiert). "Sonntag Nachmittag mit Hilmar": Ein
Attentäter radelt zu einem Werbeplakat für ein drogenfreies Wien und
feuert drei Pfeile auf das leidgeprüfte Politikergesicht des Hilmar Kabas
ab. Wenn es einen beruhigt, dann kann man das ja eventuell als
Verzweiflungstat eines drogensüchtigen Donnerstagsdemonstranten abtun.
Mein absolutes Lieblingsalbum: jenes, wo W.W.Anger die tragikomischste
aller nur denkbaren Varianten der Aussöhnung von Kunst und Leben vorführt.
Hier weiht er sein Leben dermaßen der Kunst (oder umgekehrt: seine Kunst
dem Leben), dass er sich sogar beim Hinternputzen sponsern lässt (von
"Cosy"). Für jede seiner Lebensäußerungen (Geschirrspülen, eine
pensionsversicherte Mutter haben etc.) hat er Beweisfotos angefertigt und
sich einen Sponsor "aufgerissen" (vom Geschirrspülmittelhersteller bis zur
Versicherungsgesellschaft). Ein bitterböser Kommentar zur
Überlebensfähigkeit österreichischer Künstler. Die 52 Alben sind
logischerweise von sehr unterschiedlichem Niveau, insgesamt aber nicht
übel. Wenn man nur schlampig hinschaut, könnte man mutmaßen: Dem
Gottfried Salzmann ist wohl, als er seine Aquarelle gemalt hat, laufend
der Dr. Caligari begegnet. Der Stummfilm "Das Kabinett des Dr. Caligari
ist ja legendär für seine expressionistisch verzerrte, bizarre
Filmkulisse. Bei Salzmann (bis 23. Dezember in der Galerie Contact,
Singerstraße 17) ist die Perspektive freilich noch um vieles windschiefer
und "rauschiger". Erst auf den zweiten Blick erkennt man: Für diese
rätselhaft "schwindligen" Stadtansichten ist es unabdingbar, dass das Auto
mit seinem glänzenden Autolack schon erfunden ist. Hier parkt nämlich
sozusagen jedes Mal eine Karosserie unter den aufregendsten Spiegelungen.
Die üblichen Sehgewohnheiten über den Haufen zu werfen, quasi
unentwegt das Sehzentrum im Hirn herauszufordern, und zugleich die
Netzhaut mit einer erstklassigen Pinselarbeit zu erfreuen, das ist das
Besondere an Gottfried Salzmann, der dabei nicht selten an der Eingangstür
zur abstrakten Malerei anklopft (wenn er etwa in einen venezianischen
Kanal blickt, in dem ein Palazzo zerrinnt und davonschwimmt).
Erschienen am: 15.12.2000 |
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