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Zwetschken-Action

(cai) Stillleben können ja ausgesprochen fad sein. Alleweil dieses passive Obst: "17 Zwetschken dösen in einer Schale" – gähn! Da ist man dann, zermürbt von der unerschütterlichen Beschaulichkeit, irgendwann froh über jedes bissl "Zwetschken-Äkschn". Das sehr bewegte, laute Etwas (eine Ausgeburt der Hektik), das bei Krobath & Wimmer herumsteht, dürfte in der Tat so ein dynamisches Stillleben sein .

Ein imposanter "Napf" (eine Kreuzung aus Sarg und Jakobsmuschel) mit einem Gebläse, das, nein: keine 17 Zwetschken herumwirbelt, aber immerhin 17 Pingpong-Bälle. Gut, mein erster Gedanke angesichts des von Max Frey markig zusammengebastelten Apparats war: Na und? Dann hopsen die Ballerln halt wild herum. Was soll’s? (17 Kleinkinder mit akuter Zappelphilippitis wären jedenfalls ärger, die man also mit jenen E-Nummern gemästet hat, die Hyperaktivitätsanfälle auslösen.) Originell fand ich das Gerät auch nicht. Schaut ja aus wie die primitive Vorstufe des Lottoglückstrichters, wo der Zufall persönlich aus 45 unbändigen Kugerln sechs auswählt.

Doch jetzt hab ich einen Verdacht: Das Ding hilft gegen schlechtes Orkankarma. Es ist ein Schmetterlingseffekt-Neutralisator. Wenn ein einziger Schmetterling in Brasilien durch sein fahrlässiges Flattern die Luftströme dermaßen manipulieren kann, dass sie sich zu einem Sturm aufplustern und bei uns Bäume ausreißen, können 17 hüpfende Bällchen doch sicher irgendwas mit der Luft machen, dass der Orkan nach Brasilien retourniert wird. Ach, vielleicht feiert Frey eh bloß das Chaos als ästhetisches Ereignis. Um einiges ästhetischer sind freilich seine rotierenden Fahrradfelgen mit Lamperln, die ein ausgeklügelter Mechanismus unberechenbar aufblitzen lässt. Eine faszinierend verwirrende künstlerische Symbiose zwischen Technik und... Technik. Ein Zufallsgenerator?

Krobath & Wimmer
(Nibelungengasse 11/13)
Max Frey
Bis 16. April
Di. bis Fr. 13 bis 18 Uhr
Sa. 11 bis 15 Uhr

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Auch Lügen sind wahr

(cai) Das klassische Schlafmittel: Flokatis zählen. Das funktioniert aber zur Not auch mit Schäfchenwolken (oder mit Running Sushi). Peter Friedls extrem beruhigender Film (weiße Wölkchen ziehen über einen schlumpfblauen Himmel) soll trotzdem nicht einschläfern (auch wenn man beim Wolkenaddieren, während man wartet, bis die nächste endlich daherschwebt, mit dem Sekundenschlummer kämpft). Vielmehr ist das Schönwetteridyll hochpolitisch: der fotografierte und dann animierte Himmel über der Grenze zwischen Nord- und Südzypern. Eine sanfte Inselwiedervereinigungspropaganda? Echt schaun die Wolken ja nicht aus. Theoretisch könnten sie ursprünglich so authentisch gewesen sein wie der Stein, von dem Friedl frech behauptet, kommunistische Vietnamesen hätten ihn einst geschleudert. Tja, die Kunst ist sowieso wahr, sogar wenn sie lügt. Die quasidokumentarische Methode, mit der hier die Historie in die Kunst hereingeholt wird, ist provokant plakativ.

Meyer & Kainer
(Eschenbachgasse 9)
Peter Friedl
Bis 19. April
Di. bis Fr. 11 bis 18 Uhr
Sa. 11 bis 15 Uhr

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Warz und Schweiß

(cai) Ein bissl robuster als Origami-Schwäne sind sie wohl: die minimalistischen Figuren aus schwarz bemaltem Karton, die Micha ³ Budny mit lapidarer Raffinesse und Grazie klebt und faltet. Abstrakte Stillleben, die einem seltsam vertraut vorkommen (eins erinnert mich an meinen verwilderten Schreibtisch). Durch die weißen Sockel werden die schwarzen Objekte erst voll zur Geltung gebracht (wie die Ballerina durch den sie hochstemmenden Tanzpartner). Ein geradezu beglückender Anblick. Wollte man aber das Schwarze vom Weißen trennen, würde dem Schwarzen nachher was fehlen.

Galerie nächst St. Stephan
(Grünangergasse 1/2)
Micha Budny
Bis 19. April
Mo. bis Fr. 11 bis 18 Uhr
Sa. 11 bis 16 Uhr

Mittwoch, 02. April 2008

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