"Rucke di gu"
(cai) Da gab’s doch einmal diese zwei Tauben, die fast so eloquent wie
der Sprechsänger Eminem waren und zwei böse Stiefschwestern verpetzt
haben. Nämlich einen Prinzen darüber informiert haben, dass die eine und
dann die andre "Traumfrau" in Wirklichkeit große Füße hat: "Rucke di gu,
Blut ist im Schuh!" Stimmt es also doch, dass Tauben nicht gurren, sondern
rappen? Wahrscheinlich nicht. Und um die hilfsbereiten Rapper aus
"Aschenputtel", einer einzigen Pro-Tauben-Propaganda, geht es der Amina
Broggi ja gar nicht. Sondern um jene realen Federwesen, die die Lufthoheit
bei uns besitzen (oder eigentlich auf dem Boden herumtapsen wie die
Wachteln) und die bestimmt nicht auf der Liste der gefährdeten Arten
stehen (so viele Lebenszeichen, wie die täglich auf meinem Balkon
hinterlassen).
Zugegeben, die nordamerikanische Wandertaube ist ausgestorben.
Das bewegende Andachtsbild von einer Märtyrerin des Sports, von einer
"sportlich" abgeschossenen Taube, vom Schilf durchbohrt wie der Hl.
Sebastian von Pfeilen ("Amerikanische Taubenjagd"), ist zwar nicht der
Wandertaube Martha gewidmet, der Letzten ihrer Art, die 1914 einsam im Zoo
von Cincinnati in den ewigen Taubenschlag hinübergeflattert ist, gedenkt
aber eventuell ihrer gemeuchelten Artgenossen. Ob heroischer Kadaver oder
anonyme Taube im Schwarm, alles sachlich appetitlich gemalt: Genauso gut
könnten es Menschen sein. (Die Taube – unser heimliches Alter Ego.) Eine
hält sich gar für eine schwimmtaugliche Ente. Surreal wie ein graues
Quietsch-Täubchen in der Badewanne. Und dann diese Installation. Wie eine
Szene aus "Die Vögel" oder aus der Fußgängerzone für Tauben (vom
Markusplatz in Venedig): Auf einer erschrockenen Kinderschaufensterpuppe
ist eine zutrauliche ausgestopfte Taube gelandet. Sound: Horror-Gurren.
Taubenfüttern ist eine Mutprobe!
Artothek-Galerie
(Schönlaterngasse 7a)
Amina Broggi
Bis 5. Oktober
Di., Mi. 12 bis 18 Uhr
Do. 10 bis 20 Uhr
Fr. 10 bis 18 Uhr
Flutscht ins Aug.
*
Limbotanz am Horizont
(cai) Und wieder teilt der Horizont zwei Aggregatzustände. In dem Fall
den flüssigen und den gasförmigen, Meer und Luft. Bei klarem Wetter wäre
das eine abstrakte Farbfeldmalerei. Ein minimalistisches Landschaftsbild
wie die Fahne der Ukraine (himmelblauer Streifen über weizenfeldgelbem
Streifen, oder hier: Himmelblau über Salzwasserblau). Doch kein
holländischer Landschaftsmaler, ein Fan von einem Horizont, der niedrig
ist wie die Latte beim Limbotanz, schaut da von Island aufs Meer (und
vermisst seine Windmühlen), sondern Eva Schlegel fängt mit dem Fotoapparat
hingebungsvoll die malerisch graue Witterung ein. Erik Steffensen würd’
ich freilich nicht unbedingt ein Naheverhältnis zur Malerei attestieren,
nur weil seine Fotos einen extremen Farbstich haben.
Fotogalerie Wien
(Währinger Straße 59)
Fotografie — Malerei
Bis 4. Oktober
Di. bis Fr. 14 bis 19 Uhr
Sa. 10 bis 14 Uhr
Entspannend.
*
Die Styropor-Diät
(cai) 17 schwarze Damenstrümpfe, fünf Fellhauben, der Ärmel einer
weißen Seidenbluse, vier Knöpfe von einer Schaffner-Uniform. Das könnte
auch herauskommen, wenn man in einem Opus von Ingrid Ketter Inventur
macht. Damit hat trotzdem einst ein Storch auf einem französischen
Kirchturm sein Nest ausgekleidet wie ein professioneller Collage- und
Recycling-Künstler. Bei Ketters optisch gewichtigen Materialbildern auf
"Diätgrund" (Styropor) räkeln und knautschen sich Textilien sinnlich in
einer üppigen Farb-Sand-Leim-Mixtur.
Galerie Artefakt
(Strauchgasse 2)
Ingrid Ketter
Bis 25. September
Mo. bis Fr. 13 bis 18 Uhr
Füllig.
Mittwoch, 13. September
2006