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22.03.2006 - Kultur&Medien / Ausstellung
Da Ponte: Nicht mit Salpetersäure gurgeln!
VON DANIELA TOMASOVSKY
Lorenzo Da Ponte. Das Jüdische Museum folgt dem Leben von Mozarts Librettisten.

Hätte es damals schon einen Oscar gegeben, wäre er im günstigsten Fall wohl für die beste Nebenrolle nominiert worden", meint Werner Hanak, Kurator der am Dienstag eröffneten "Lorenzo Da Ponte"-Ausstellung im Jüdischen Museum Wien. Die Schau will den wichtigsten Librettisten Mozarts aus dessen Schatten hervorholen - und beginnt damit in New York. Eine Ansicht der Insel Manhattan zu Beginn des 19. Jahrhunderts, stark vergrößert, empfängt den Besucher. Wieso gerade New York? Nun, immerhin hat Da Ponte dort 24 seiner insgesamt 89 Lebensjahre verbracht. Und er schrieb dort seine Autobiografie, sie liegt in der ersten Vitrine: "Memorie di Lorenzo Da Ponte di Cenede", drei Bände. So ist auch die Ausstellung aufgebaut: als Rückschau. Auf 400 Quadratmetern, in sieben Räumen nähert man sich dem Dichter in erster Linie über Dokumente: Bücher, Urkunden, Stiche, Theaterzettel.

Da Ponte war gewiss ein geschwätziger Mann (zahlreiche Briefe sind zu sehen), belesen sowieso (hochverschuldet musste er seine Bücher verkaufen) und hatte großen Erfolg bei den Frauen (ein Stich von Hieronymus Löschenkhol zeigt Da Ponte gemeinsam mit Casanova und Salieri am Graben, dem damaligen Schnepfen-Strich).

Vor allem aber war Da Ponte ein Stehaufmännchen: Immer wieder musste er seine Zelte abbrechen, woanders ein neues Zuhause und eine neue Existenz aufbauen - ohne dass sein Optimismus je versiegte.

1749 als Sohn eines jüdischen Lederhändlers im Veneto geboren, konvertiert Emanule Conegliano 1763 zum katholischen Glauben, wird auf Lorenzo Da Ponte getauft. Er entschließt sich für die Priesterlaufbahn, lebt aber in Venedig mit einer verheirateten Frau zusammen. Eine anonyme Denunziation führt zur Verbannung: Der Denunziationsbrief und ein marmornes Löwenmaul - diese dienten als anonyme Briefkästen - sind ausgestellt.

1781 kommt Da Ponte nach Wien, mit Salieris Hilfe wird er 1783 von Kaiser Joseph II. zum Hofdichter mit fixem Jahresgehalt ernannt. Eine Vitrine mit einer Zahnprothese aus Elfenbein veranschaulicht, dass es hier auch nicht weniger intrigant als in Italien zuging: Da Ponte hat in Wien all seine Zähne verloren, weil ein eifersüchtiger Kaffeehausbekannter empfohlen hatte, bei Zahnschmerzen mit ätzendem Scheidewasser, also Salpetersäure, zu gurgeln.

Gezeigt wird in diesem Raum auch, dass es mit der Toleranz nicht so weit her war, wie es das Toleranzpatent Josefs II. hoffen ließ: Mit Streitschriften wie "Über die Unnütz- und Schädlichkeit der Juden im Königreiche Böheim, Mähren und Österreich" oder der "Kurzen Untersuchung der Frage: ob die Juden nicht zur Erlernung ehrlicher Professionen anzuhalten sind".

Ist hier der Konnex zum Judentum verständlich, wirkt er an anderen Stellen der Schau etwas konstruiert: Zum Beispiel wenn Fotos jüdischer Wunderkinder (u. a. Erich Wolfgang Korngold, Yehudi Menuhin, Daniel Barenboim) gezeigt werden, die alle irgendwie Mozart als Vorbild hatten. Oder wenn die Dirigenten Erich Leinsdorf, George Szell, Bruno Walter als Retter der Wiener Musiktradition dargestellt werden.

Insgesamt ist das Konzept der Ausstellung sowohl optisch (Christian Prasser) als auch thematisch (Werner Hanak, Reinhard Eisendle, Herbert Lachmayer) gelungen. Die Gestalter erzählen Verblüffendes: Oder wussten Sie, dass Da Ponte in den USA mit Drogerieartikeln handelte, um sich finanziell über Wasser zu halten? Dass er das Londoner Theater wegen Schulden verlassen musste und 20 Jahre später auch sein "Italian Opera House" in New York in den Bankrott führte? Oder dass er im Mozartjahr 1941 aus zahlreichen musikwissenschaftlichen Werken eliminiert und als "wenig zuverlässiger Halbpoet" bezeichnet wurde?

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