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07.10.2005 - Kultur&Medien / Ausstellung
Umarmung mit Unbehagen
VON ALMUTH SPIEGLER
MUMOK. Problematische Einblicke in zehn österreichische Privatsammlungen.

S
ammeln, erforschen, bewahren, ver mitteln - die Grundsätze der Muse umsarbeit. Vielleicht ein wenig tan tenhaft, das wieder einmal zu erwähnen. Aber in Zeiten wie diesen, wo der Kunstmarkt dermaßen schnell über alles hinwegfegt und die Preise lebender Künstler in die Höhe schnellen lässt, können diese vier Wörter gerade im Bereich zeitgenössische Kunst einen schützenden Hort bilden. Mit all seinen Nachteilen natürlich, inklusive der Frustration, den aktuellen Tendenzen hinterherhinken zu müssen. Für die Kunst des Augenblicks gibt es allerdings die Kunsthallen. Und im Idealfall könnten Moderne-Museen die Wege ins Heute erklären. Doch wer will sich damit schon begnügen?

Keine Lösung dieses Dilemmas aber ist es, dem Reiz des Zugriffs auf private Kunstsammlungen nachzugeben. In Deutschland müssen Museumsleute gerade schmerzhaft lernen, dass auch Dauerleihgaben nicht für ewig sind: Dieter Bock hat seine Werke aus dem Frankfurter Museum moderner Kunst abgezogen, um sie auf den Markt zu werfen. In Bonn zittert man um die Leihgaben Ulrich Grothes, der seine Sammlung an Sylvia und Ulrich Ströher verkauft hat. Wie überhaupt das Sammlermuseum als Konzept, wie es in Karlsruhe und der Weserburg in Bremen ausprobiert wurde, durch diverse Rückzieher tiefe Kratzer erhalten hat.

Letztendlich bedeutet die Präsentation in einem renommierten Museum eben immer auch Wertsteigerung. Was vor allem von Museumsleuten gerne mitleidig lächelnd abgetan wird. Wer die Kunst liebt, scheint gegen jeden Verdacht erhaben, wird kumpelhaft zu Atelierbesuchen mitgenommen und kann letztlich zu Museumskonditionen einkaufen. So geschehen in Deutschland.

Auf diese problematische Verbandelung mit Kunsthandel und Privatinteressen hat sich jetzt auch das Wiener Museum moderner Kunst eingelassen - sehenden Auges immerhin. Im von Direktor Edelbert Köb ausgerufenen "Jahr des Sammelns" zeigt man zwischen Einzelausstellungen diverser Firmen-Kollektionen ab heute zehn österreichische Privatsammlungen. Ausgesucht hat diese Mumok-Kuratorin Eva Badura-Triska, nach monatelanger Vorbereitung, der Recherche von hundert Adressen, Dutzenden Hausbesuchen. Die Sammler durften ihren Part (meist beraten durch die Galeristen ihres Vertrauens) selber gestalten - besonders schön gelang das Ernst Ploil mit seinem Mix aus Wiener Werkstätte und aktueller Kunst -, ihre Persönlichkeiten werden in Videos vorgestellt, zu jedem gibt es eigene Saaltexte, auf dem Katalog-Cover ist eine süße kleine Sammler-Tochter abgebildet - und alle sind glücklich: Sammler, Galeristen, Kuratorin, Museumsdirektor. Schließlich zeigte das Umwerben bereits Ergebnisse: Museumsfachmann Dieter Bogner schenkte dem Mumok ein Pavillon-Modell von Dan Graham sowie eine Bilder-Kiste Heimo Zobernigs. Und das ist erst der Anfang, hofft Badura-Triska. Außerdem habe man aus Deutschland gelernt, und will nur Schenkungen annehmen, keine Leihgaben.

Trotzdem ist die Auswahl im Mumok ein Paradebeispiel für die Verschmelzung von Markt und Museum: Zwei der Sammler sind zumindest ausgewiesene Kunsthändler: der Aktionismus-Spezialist Philipp Konzett und Johann Widauer, der gerade am "Art Forum Berlin" wie im Mumok Videos von Peter Kogler und ein Wandschriftbild von Heinz Gappmayr anbot. Natürlich ist das alles kein Verbrechen. Aber bedenklich allemal.

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