Musa als Zentrum von "Eyes on", dem Monat der
Fotografie, mit "Mutations III"
Wandel zum vernetzten Bild
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Edmund Clarks "Guantanamo: If the light goes out" (2010) ist eines der
webgestützten Projekte. Foto: Edmund Clark
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Von Brigitte
Borchhardt-Birbaumer
![Aufzählung Aufzählung](00091208-Dateien/wzfeld.gif)
Was in Paris
vor 20 Jahren begann, geht in Wien erst in die vierte Runde – der nun
"Eyes on" genannte Monat der Fotografie mit nahezu 180
Ausstellungsprojekten. Die Herzkammer und, von der Finanzierung seitens
der Stadt her gesehen, auch der Ideentresor, ist das Museum auf Abruf
(Musa) mit zwei Ausstellungen. Daneben sind das Künstlerhaus und das
Palais Kabelwerk Informationszentren zu dieser Großveranstaltung.
Als Logo, auch am Katalog mit etwa 70 Veranstaltungen, dient heuer
Marko Zinks Sonnenblumenfeld, in dem sich fast unsichtbar "Tragödien"
abspielen – wer mehr von seinen Rätselfiguren erfahren möchte, kann
diese Position samt einem Text der Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek
ab 4. November in der Galerie Michaela Stock finden.
Im Eingangsbereich des Musa werden mit "Mutations III. Public Images –
Private Views" neue Tendenzen in der Fotografie als Kooperation von
sieben Städten präsentiert. Das sind neben Paris, Wien und Berlin auch
Bratislava, Luxemburg, Moskau sowie Rom. Die Änderung zeichnet sich von
den gleich Bildern in oft monumentalem Format an Wänden platzierten
Fotos als C-Prints oder Dia-Sec-Kästen zu einer interaktiven
Arbeitsweise im Netz und den damit verbundenen neuen Plattformen ab.
Über PC lassen sich die meisten künstlerischen Positionen hier und von
zu Hause über http://www.europeanmonthofphotography.net
abrufen.
Das Netz als Hemmschuh
Bislang war große Skepsis gegenüber der unkünstlerischen Bilderflut
im Netz noch ein Hemmschuh für seriöse Fotografen, nun beginnen sie
Twitter, Facebook und zahlreiche Blogs auch für sich auszuweiden und in
oft wissenschaftlichen Analysen neue Felder zu erobern. So das Projekt
von Hubert Blanz, das einen User und seine 1500 Freunde isoliert und die
Verbindungen dann auch in den Realraum transferiert.
Auf Kunsttauglichkeit haben das Netz mit diesem Projektaufruf nicht
nur Künstler, sondern auch Theoretiker und Journalisten untersucht, die
sich dem sozialen Aspekt einer für alle verfügbaren Massenware Kunst
verschreiben. Was dereinst in Zeiten Joseph Beuys’ das Multiple, ist
jetzt der neue Trend, die Images jederzeit für sich herunterladen zu
können. Ob sie allerdings dann in 40 Jahren so viel wert sind wie
Filzanzug und Intuitionsbox? Da kommt es wahrscheinlich auch auf das
Papier und die Druckerpatrone an.
Der Hauptraum des Musa dokumentiert auf ungewöhnliche Weise ein
Projekt für ein kleinformatiges Fotomagazin der Künstlerin Sissi
Farassat, "Sioseh" betitelt, was persisch die Zahl 33 bedeutet. Nach der
Nummer 33 hat sie dieses Teamwork mit 160 Kollegen aller Kunstsparten
in der ganzen Welt beendet und präsentiert Nummer für Nummer auf
Mini-Bildschirmen im Inneren von 33 Schachteln, die von der Decke
eingehängt sind. Namen wie Friedl Kubelka, Ulrike Lienbacher, Herwig
Kempinger, Seiichi Furuya oder Andrew Phelps und Korrespondenz der
Beteiligten sind außen abzulesen, die einzelnen Positionen mit ständigem
Bücken unter die Boxen, und ab einem gewissen Alter nur mehr mit
Brille, innen zu verfolgen.
Verblüffend ist der erste Moment der Präsentation, bei dem nur die
weißen Boxen als skulpturales Raster erscheinen – ohne jedes Bild.
Ausstellung
Mutations III und Sioseh forever
Gunda
Achleitner, Katharina Boesch (Kuratorinnen)
Musa (Museum auf Abruf)
bis
8. Jänner
Printausgabe vom Mittwoch, 03.
November 2010
Online seit: Dienstag, 02. November 2010 16:38:00
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