In der Ausschließlichkeit, in der die Welt nur mehr über die Augen aufgenommen wird, geht laut Kamper das Körperliche verloren. Die unerfüllte Sehnsucht nach der Wahrhaftigkeit der Körper ist etwas, auf das auch Maria Hahnenkamp seit Ende der 1980er in ihrer Arbeit immer wieder anspielt. Arbeiten, die die gesellschaftlichen Zuschreibungen, die stereotypen Bilder von Frauen sichtbar, erfahrbar machen.
Taktiles Verlangen
Die Augen reduzieren auch Körper wieder auf Flächen, während die Haut lieber fühlen möchte, allein - es geht nicht, bemerkt Kamper. Auf diese Unmöglichkeit bezieht sich auch die 1959 geborene Hahnenkamp, wenn sie Bilder zeigt, die dieses taktile Verlangen noch ins Extrem zu steigern vermögen: Texturen von Stoffen, Haut - nackt oder verhüllt - und als intim oder erotisch konnotierte Details weiblicher Körper. Oft sind es auch kunstgeschichtliche Frauendarstellungen, Modefotos oder Bilder aus dem pornografischen Bereich, die ihren Bilderkosmos füttern. Über die Oberflächen, die Tiefe und Körperlichkeit verheißen, legt, streut oder windet Hahnenkamp die Spuren und Hinweise, die im Hinterfragen des Bildhaften Wege aus den visuellen Gefängnissen weisen.
Schriftliche Hinweise im Hinblick auf Kamper ("Ohne das Ohr wäre das Auge nicht zu bremsen"), aber auch orale, die sich als Wort- und Musikteppich über die Video-Installationen legen: Die von Countertenor Andreas Scholl gesungene Barockkantate, die mit einer zusätzlichen Textebene versehen wurde, transformiert den Raum des Kunstvereins zu einem sakralen Klangkörper, der die gesellschaftliche Unantastbarkeit des Bildhaften noch zusätzlich unterstreicht. Eine dichte Atmosphäre, die durch einen audiovisuellen Infostand - etwa mit Beiträgen zu Simone de Beauvoir oder dem Thema "Schleier" - noch inhaltliche Tiefe gewinnt.
In Maria Hahnenkamp hätte der 2001 verstorbene Kamper eine perfekte Verbündete gefunden. Den Weg aus der Verderbnis bringenden Bilderhöhle mittels Askese sah er verstellt. Hahnenkampf hat ihm und uns einen anderen Tunnel gegraben. (Anne Katrin Feßler, DER STANDARD/Printausgabe, 18.03.2008)