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Kunstberichte

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Illustration

Petersilie mit Matura

(cai) Es hat uns ja schon tief beeindruckt, als Joseph Beuys einem toten Hasen "die Kunst" erklärt hat (bei einer seiner legendären Aktionen). Und wir selber waren dann vielleicht frustriert, als wir das später bei unserm Hasenbraten auf dem Teller auch probiert haben und der uns nachher, nachdem wir also mit allen pädagogischen Finessen auf sein posthumes Fleisch dozierend eingewirkt hatten, nicht einmal sagen konnte, was ein barockes Memento mori ist. (Das konnte der hinige "Lepus capensis" vom Beuys allerdings genauso wenig.)

Aber jetzt hat Annelies Oberdanner einem noch lebenden Petersilzweig nachweislich beigebracht, was ein Bild ist. (Der Doldenblütler hat quasi die Reifeprüfung bestanden. Mit Auszeichnung.) Ganz pragmatisch und ohne schamanischen Hokuspokus hat sie die frische Petersilie darin unterrichtet, wie man zum Stillleben wird. (Man breite sich dekorativ über eine Fläche und bewege sich nicht.) Und hat die Vertreterin der Küchenflora dafür eigens mit Tixo auf einem Blatt Papier fixiert. Dürer hätte nun reflexartig ein Aquarell gemalt (ein "Kleines Kräuterstück"). Weil der halt noch keinen Fotoapparat gehabt hat.

Praktisch alles hier könnte als (manchmal ein bissl oberlehrerhaftes) Demonstrationsobjekt herhalten, um zu ergründen, mit welchen okkulten Formeln Kunst und Wirklichkeit zusammenhängen. Oder eigentlich ist’s eh bloß einfache Physik. Etwa wenn ein im Augarten ausgesetzter Fußball (dem die Erosion arg zugesetzt hat) durch Übersiedlung in eine Galerie zum Kunstwerk wird. Zum "Readymade". Zu diesem Andachtsbild der Volksfrömmigkeit (zur Schmerzenswuchtel) möchte man glatt den Titel dazuschummeln "In Erwartung des blauen Zehs". Sehr frei nach Duchamps Schneeschaufel, die schonungslos betitelt ist "Dem gebrochenen Arm voraus".

layr:wuestenhagen
(An der Hülben 2)

Annelies Oberdanner

Bis 19. Mai
Di. bis Fr. 11 bis 18 Uhr
Sa. 11 bis 16 Uhr

Demonstrativ.

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Danke, lieber Noah!

(cai) Manchmal tut einem der Baum halt schon leid, der für die Kunst draufgegangen ist. Für diverse Keilrahmen hinter mediokrem Gepinsel zum Beispiel. Oder für diese Holzschnitte da. Für die, gelinde gesagt, bescheidenen Charakterköpfe von Brigitte Trieb etwa. Und vor den Arbeiten von Alfredo Garcia Andrés, die technisch ja nicht übel wären, kriegt man so ein verdächtiges Zucken in den Wadeln, weil die peinliche Metaphorik (würg!) den Fluchtinstinkt stimuliert. Seine "Allegorie des Frühlings" ist wie ein schlechter Witz. (Treffen sich ein Vogel und zwei nackte Brüste. Zwitschert der Vogel: "He, wie wär’s, ihr zwei beide: Machma uns a’n Lenz?") Hernando Osorio ist zwar ebenfalls ein passabler Schnitzer, seine Tierserie hat aber was von einer bürokratischen Aufzählung nach dem Motto: "Danke, Noah, dass du deine Arche nicht verpasst hast!" Der einzige, der seine Sache gut macht, ist Giovanni Rindler. Besonders wenn er (ganz unplakativ) Strukturen aus der Natur isoliert. In dem Fall: Respekt!

Galerie Sur
(Seilerstätte 7)

Holzschnitte

Bis 26. April
Di., Do., Fr. 15 bis 19 Uhr
Ernüchternd.

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Kanada liegt am Balkan

(cai) Nein, Böhmen liegt noch immer nicht am Meer (der Ingeborg Bachmann zum Trotz), aber Kanada inzwischen am Balkan. Das muss diese ominöse Globalisierung sein. Die wuchtige Stadtbibliothek von Vancouver verschmilzt jedenfalls nahtlos mit dem Belgrader Genex-Tower. In den digital collagierten Stadt-Fantasien von Sabine Bitter und Helmut Weber zumindest. Bei den nüchternen, doch vielsagenden Zusammenstellungen geht einem zwangsläufig ein Licht auf. Ob es bedenklich ist, wenn eine Imponierkulisse aus Ceausescus Bukarest mit einem sozialvisionären Pariser Wohnprojekt harmoniert?

Galerie Grita Insam
(An der Hülben 3)

Recent Geographies

Bis 5. Mai
Di. bis Fr. 12 bis 18 Uhr
Sa. 11 bis 16 Uhr

Erhellend.

Mittwoch, 18. April 2007


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