Kunsthalle: Skulptur - Prekärer Realismus zwischen Melancholie und
Komik
Unvollendete und nicht korrekte Körper
Von Brigitte Borchhardt-Birbaumer Die Ausstellung "Skulptur.
Prekärer Realismus zwischen Melancholie und Komik" setzt mit Kuratorin
Sabine Folie vieles fort, was die Kunsthalle schon seit "Barocke Party" in
mehrfacher Hinsicht als Programm vertritt.
Beleuchtet werden die neuen Tendenzen der Kunst und
ihre vereinzelten Fäden in die Vergangenheit; dazu vor allem
Grundsatzfragen wie jene nach dem Realismus oder nach Begriffen wie
Skulptur. Aber auch Spurensuchen wird hier betrieben: nach der Ironie, dem
Grotesken, Fragilen, dem Zufall und einer Wirklichkeit hinter dem schönen
Schein. Letzteren hatte schon 1853 Karl Rosenkranz mit seiner "Ästhetik
des Hässlichen" angefochten, was aber erst in der Kunst des 20.
Jahrhunderts eine Umsetzung erfuhr.
Verdrängte
Körper
Natürlich geht es auch um die Auseinandersetzung des
letzten Jahrhunderts mit den Maschinen, um das, was an verdrängter
Körperlichkeit nach dem Siegeszug der Fotografie und der Neuen Medien
geblieben ist und herausfordernd einen neuen Realismusbegriff einfordert.
Es sind weiche und von der Decke hängende Gebilde, ein ganzer
Trompe-l'oeil-Gipsvorhang als Raumteiler, hybride und grellbunte Monster,
in deren Mitte ein Ahnvater zum Stehen kommt: Medardo Rosso, mit seinen
impressionistisch bewegten Stein-Oberflächen, Torsi und Mahnmalen des
Unvollendeten. Internationale Künstlerinnen und Künstler wie Peter
Fischli/David Weiss, Thomas Demand, Alighiero Boetti, Martin Kippenberger,
Thomas Schütte, Rebecca Warren, Isa Genzken, Tetsumi Kudo u. v. a. treffen
hier auf die Lokalmatadoren Franz West und Erwin Wurm. Alighiero
Boetti, Altmeister der italienischen Arte povera, empfängt einen im großen
Hof des MuseumsQuartiers unter den Bäumen mit seinem Bronze-Selbstbildnis.
Seinem Motto von den Zwillingsbrüdern, die als Topos das Fehlende, die
aufgegebene Einheit zwischen Seele und Körper, konfigurieren und die er im
Foto "Gemelli" 1968 als Alighiero e Boetti zur Kult-Postkarte erhob,
widmet die Kunsthalle den Katalog der Ausstellung. Verdopplung auch im
neuen Skulpturbegriff Wurms, der in seinen Fotos und Videos einminütige
Stellungen vorführt, die teils mit Hilfe von in der Nase steckenden
Pilzen, Früchten vollzogen werden, teils Balance mit falsch angezogenen
Pullovern, Schüsseln, Möbeln und anderen Alltagsgegenständen erfordern.
Festgefroren in der filmischen oder fotografischen Widergabe bleiben sie
skulpturale Handlungen und verbinden den alten Skulpturbegriff mit dem
Aktionismus.
Leitmotive zur Melancholie
Sie sind
aber auch Leitmotive zur Melancholie, die Tom Claasens Vorhang, seine
schwarzen "Hanging Ducks" oder Thomas Demands Foto einer "Lichtung" sowie
die Dschungelreliefs von Giuseppe Gabellone "befallen" hat. Grenzen des
"Schicklichen" strebt nicht nur West mit seiner bunten Gipsplastik
"Malaise" an, auch Urs Fischers "Tisch mit" und seine an Rosso gemahnenden
Köpfe aus Brot, Lehm, Holz und Kunststoff oder Rebecca Warrens
"Hundemeister" sind wie die Artefakte manieristischer Wunderkammern neue
Realitäten, oft banal, erotisch und doch geheimnisvoll. Das betrifft
besonders Peter Senoners Lemuren und Wiedergänger aus Holz, Kryolithglas
und Leuchtfarbe, die auch das Plakat in Schräglage bevölkern. Lynda
Benglis weiche Latex- oder Polyurethanschaumgüsse, 1969 entstanden, sind
Klassiker der weichen Plastiken, die auch mit textilen Materialien und
Keramik noch erweitert werden könnten. Doch die Schau strebt nach ihrem
Frontispiz im Katalog, einem Pferd auf Bällen von Mark Manders, wie der
neue Skulpturbegriff keine Vollendung an, will Skizze sein. Und so ist
auch die Ausstellungsarchitektur (von "werkraum wien"), zum Teil als
grafische Einzeichnung am Boden, eine angenehm reduzierte geblieben.
Die Ausstellung ist noch bis 20. Februar 2005 zu
sehen.
Erschienen am: 23.10.2004 |
. |
![]()
Quer durch Galerien
Kunstsinnig
Ausstellungen vom 6. bis 12. November
Wien Museum: Fotoarbeiten von Henri Cartier- Bresson und Willy
Römer
Otto- Mauer- Preis 2004 vergeben
Kunstsinnig
Ausstellung: Epi Schlüsselberger und Valerie Schmid
![]()
![]()
![]()
![]()
![]()
![]()
![]()
![]()
|
. |