Moderne
Kunst Ein
schöner Skandal: Jörg Haider eröffnet ein Museum in
Klagenfurt Von Niklas Maak,
Klagenfurt 29. Juni 2003 Eine solche Museumseröffnung hat
man auch noch nicht erlebt. Alex Katz war nicht
gekommen, Znedek Felix hatte noch am Samstag abend
abgesagt, und jetzt stand sie allein da und versuchte
grimmig, den Skandal unter den Teppich zu kehren, so gut
das eben noch ging: Agnes Husslein-Arco, die
interimistische Direktorin des Museums Moderner Kunst
Kärnten, erklärte mit eiskaltem Blick, "der New Yorker
Starkünstler Alex Katz", mit dessen Arbeiten man das
neue Museum eröffne, sei "leider krank geworden. Und es
tut ihm sehr, sehr leid, daß er nicht kommen kann."
Sehr, sehr leid: Sie schrie diesen Satz fast ins
Mikrofon, aber die Lautstärke erhöhte den geringen
Wahrheitsgehalt nicht.
Surrealistische
KulturbutterfahrtDenn der
Grund, warum weder Katz noch der Direktor der Hamburger
Deichtorhallen Znedek Felix kamen, von dem das
österreichische Museum die Ausstellung übernehmen
durfte, stand in monumentalen Buchstaben auf einem
Plakat, das den halben Museumseingang versperrte.
"Landeshauptmann Dr. Jörg Haider", war dort zu lesen,
"begrüßt Sie herzlich zur Eröffnung des Museums." Die
Art, wie er das tat, suchte ihresgleichen. Man kam sich
vor wie auf einer surrealistischen Kulturbutterfahrt.
Nach Husslein-Arcos wütender Eröffnungsphilippika, die
in der Bemerkung gipfelte, sie lasse die Kunst, die
"über Parteipolitik erhaben" sei, nicht in eine
politische Debatte hineinziehen, erklomm eine
Moderatorin im weißen Hosenanzug die Bühne, zitierte
Picasso und Van Gogh und erklärte, heute gäbe es bei der
Verwirklichung von großen Projekten so viele
Hindernisse, daß sogar Noah beim Bau der Arche an den
feuerpolizeilichen Vorschriften scheitern würde,
weswegen es ein Segen sei, einen solch unkonventionellen
Landeshauptmann zu haben.
Der Hauptmann
stieg sodann aufs Podest und hielt eine Grundsatzrede
zur Kunst, die in jedem Punkt ein Angriff auf das Werk
von Alex Katz war. Er lobte Kärnten "mit seinen klaren
Wassern und seinen über 1200 Seen". Kärnten sei "ein
Kraftpunkt" für zahllose Maler und Künstler, die hier
"das Licht des Südens" liebten. "Die klassische Moderne
war keine Eintagsfliege", erklärte er einem verdutzten
Publikum, österreichische Künstler "hatten
entscheidenden Anteil" daran. Das Museum solle die
Kärntner mit Stolz erfüllen, rief Haider über den Kopf
der entrückt lächelnden Direktorin hinüber; die Moderne
könne sich in dieser Burg wieder auf Traditionen
besinnen, nachdem die traditionelle Landesgalerie am
Publikum vorbeigelebt habe, "und nach" - Pause,
Augenbraue hoch, als sei das Auftauchen des New Yorkers
in Kärnten ein nicht zu vermeidendes Ärgernis, Luftholen
- "nach Alex Katz werden hier auch lokale Kärntner
Künstler gezeigt".
Suche nach
RomantikSeit einiger
Zeit, schloß Haider, suchten die Künstler wieder nach
"Fixpunkten und Romantik", beim Bachmann-Wettbewerb
werde wieder der deutsche Wald besungen, und es müsse
wieder gesehen werden, daß Heimat nicht Enge, sondern
Tiefe sei. Wie Feindbilder der beschworenen
Tiefenverbundenheit standen die entwurzelten, aus
Leinwänden ausgeschnittenen Flachporträts von Alex Katz
in den dunklen Ausstellungsräumen der Burg, und es war
ein schwacher Trost, daß das Werk sich gut gegen die
Umstände seiner Präsentation zu wehren wußte. Katz wurde
berühmt mit seinen Bildern einer blutleeren
Luxusgesellschaft voller unterkühlter Geschöpfe, die
hohl auf Empfängen herumstehen und durch dicke
Sonnenbrillen in eine sinnlose Welt starren.
Besonders die
in Klagenfurt gezeigten "Cutouts", die Künstler der
Sechziger zeigen, sind auch eine Reflexion des
Personenkults in der Popkultur. So gesehen, wirkten sie
wie ein nonchalanter Kommentar zu Haiders kläglicher
Selbstinszenierung und auf die ambitiöse Party im
Innenhof des Museums, wo ein Saxophonist trübselig vor
sich hin blies und die Damen der Klagenfurter
Politprominenz mit spitzen Nasen und dicken
Sonnenbrillen herumstanden, als wären sie soeben aus
einem Katz-Gemälde ausgeschnitten worden.
Schamlose
PolitkunstveranstaltungUnangenehme
Fragen stellen sich trotzdem. Wie kam es, daß
ausgerechnet der Kosmopolit Alex Katz für ein
Rennomierprojekt des Kärntner Landeshauptmanns vor den
Karren gespannt werden konnte; und wie naiv waren
diejenigen, die sich durch Abwesenheit in letzter Minute
aus der Affäre zogen? Alex Katz wurde bis zuletzt nicht
darüber informiert,wem er mit seiner ersten Werkschau in
Österreich zu internationalem Glanz verhilft. Offenbar
war dem Hamburger Ausstellungsmacher Znedek Felix, der
grünes Licht für die Übernahme seiner Schau gab, bis zum
Schluß nicht klar, in was für ein Magnetfeld er sich in
Kärnten begibt.
Vor allem
fragt man sich nach Gründen der Bereitwilligkeit, mit
der die in Salzburg tätige Kuratorin Margit Brehm, die
vor einigen Jahren eine große Katz-Ausstellung in
Baden-Baden organisierte und die maßgeblich an der
Kärntner Schau beteiligt war, den von ihr so geschätzten
Künstler zum Zugpferd einer schamlosen
Politkunstveranstaltung degradiert hat. Noch kurz vor
der Eröffnung sagten gleich mehrere Kärtner Künstler
geplante Ausstellungen ab; und das für 3,2 Millionen
Euro umgebaute Museum dürfte es schwer haben, nach
diesem Start einen Direktor zu finden, der es aus dem
unguten Hohlweg Haiderscher Heimatkunstdefinitionen
wieder herausführt.
Text: Frankfurter Allgemeine
Zeitung, 30.06.2003, Nr. 148 / Seite 35 Bildmaterial: dpa