17.04.2003 20:03
Neues kommt von den Rändern
Verlierer der Budgetverhandlungen ist nicht die Hochkultur, sondern die
Kunst
Keinen Cent mehr als im Vorjahr will sich die Regierung
Kunst und Kultur kosten lassen. Heuer wie auch 2004. Und daher nimmt mancher
schnell das große Wort von der "Kindesweglegung" in den Mund, wenn er über die
Situation der seiner Meinung nach "entstaatlichten" Bundesmuseen befindet, die
vom Staat nicht mit jenen Mitteln bedacht werden, die sich die Direktoren der
Häuser gewünscht oder erhofft haben.
Sicher, die Bundesmuseen haben rund
um die Jahrtausendwende (wie knapp zuvor die Bundestheater, für die das gleiche
gilt) ihre volle Autonomie erhalten. Sind quasi volljährig geworden und
eigenständig. Doch ihre Mama - Bildungsministerin Elisabeth Gehrer - hat die
Museen und deren Direktoren, die eben mitunter rechte Bengel sein können, nach
wie vor unter ihren Fittichen: Die Beamten segnen die Budgets und Strategien ab,
haben ein offenes Ohr, wenn einer sein Palais gar zum Palast ausbauen will, und
unterstützen mit Sondermitteln, wenn sie können.
Zudem hat die Mama ganz
ordentlich dafür gesorgt, dass die Buben (es gibt mit Gabriele Zuna-Kratky bloß
eine einzige Museumsdirektorin) genügend Taschengeld bekommen: Die Ausgaben für
die Bundesmuseen stiegen zwischen 1997 und 2001 von 68,78 Millionen Euro auf
deren 97,05. Also um über 40 Prozent.
Die Direktoren führen dennoch
Klage. Verständlich. Sie dürften auch für naiv gelten, wenn sie nicht ein
Maximum an Subventionen herausholen würden. Mit der Argumentation, ansonsten
nicht ihren gesetzlich festgeschriebenen Aufgaben - Forschen, Sammeln, Bewahren,
Vermitteln - nachkommen zu können. Sie entwickeln dabei viel Fantasie: Der eine
wünscht sich die Unterkellerung des Maria- Theresien-Platzes, der andere ein
zeitgenössisches Kunstzentrum im Flakturm, der dritte eine weitere Halle im
Museumsquartier und der vierte die Renovierung des 20-er Hauses. Et
cetera.
Die Zeiten, in denen das Wünschen aber noch geholfen hat, sind
vorerst vorbei. Einerseits, weil sich die Direktoren (auch jene der
Bundestheater) nach wie vor kostspielige Projekte leisten können. Und
andererseits, weil ein Plädoyer pro Budgetaufstockung für die
Hochkultur-Einrichtungen des Bundes schwer fällt, wenn man sich vor Augen hält,
wie viel der Regierung die übrige Kunstproduktion in diesem Land wert ist. Denn
die Ermessensausgaben werden erneut um fünf Prozent gekürzt.
Die
Bundesmuseen und
-theater haben angesichts der verbissenen Spargesinnung,
die zwar sehr wohl auf ihre Sinnhaftigkeit zu hinterfragen ist, aber von der
Mehrheit der Österreicher durch ihr Votum bei der Wahl scheinbar akzeptiert
wurde, sogar ein ziemliches Glück. Eben weil ihre Basisabgeltungen keine
Ermessensausgaben sind - wie die Subventionen auf Antrag.
Tragisch
hingegen ist die Situation zum Beispiel für die Auslandskultur, deren operatives
Budget in den letzten Jahren beinahe auf die Hälfte reduziert wurde: Für die
Jahre 2003 und 2004 folgt noch einmal eine Kürzung um je rund 400.000 Euro. Ein
Klacks zwar gegenüber den stagnierenden Dotierungen für die Bundesmuseen, die
2002 mit 68,75 Millionen Euro bedacht wurden. Aber eine ziemliche Menge für die
Kulturforen und vor allem die Kulturabteilungen der Botschaften, die derzeit mit
lächerlichen Summen (es stehen jeweils 4000 bis 6000 Euro zur freien Verfügung)
emsig bemüht sind, österreichische Künstler im Ausland zu
präsentieren.
Und noch schlimmer wird die Situation für viele kleine
Veranstalter und regionale Kulturinitiativen werden, deren Mitarbeiter ohnedies
nichts anderes als Selbstausbeutung kennen, beziehungsweise die Künstler,
Schriftsteller, Schauspieler, die von Engagements und Aufträgen abhängig sind:
Wenn schon das große Wort der "Kindesweglegung" geführt wird, dann ist es dieser
vielschichtige, bunte Bereich abseits der Hochkultur, dem sich der Staat
zunehmend entledigt hat und weiter entledigt. Eines sollte den Vätern aber klar
sein: Das wirklich Neue passiert zumeist an den Rändern. (DER STANDARD,
Printausgabe, 18.4.2003)