Quer durch Galerien
Vom Schmetterling zur Raupe
Von Claudia Aigner
Rauche niemals in Gegenwart von Benzin, denn das erste
Geschnetzelte, das vom Himmel fällt, könnte deines sein! (Eine Weisheit
der Benzinschnüffler.) Aino Kannisto (das ist nicht "ein Kanister" auf
Esperanto, sondern ein finnischer Frauenname) bedient sich der pubertär
subversiven Rauchtaktik "Ich rauche, selbst wenn ich mir dabei selber um
die Ohren fliege". Qualmt nämlich neben einem Benzintank. Die
Fotogalerie (Währinger Straße 59) zeigt bis 19. Juni Fotokunst aus einem
Land, wo es mehr Gänsehaut-Tage pro Jahr als bei uns gibt: Finnland. Und
da kommen eben auch die frechen (und manchmal so schön melancholischen)
Selbstdarstellungen von Aino Kannisto her. Einmal liegt sie im Bett wie
die verlorene Unschuld höchstpersönlich. Und ist mit ihrem weißen Hemd auf
dem weißen Leintuch fast so gut getarnt wie ein Salatblatt in einem
Vegetarier. (Sieht quasi selber wie ein frisch bezogenes Bett aus,
freilich nach einer schlafgestörten Nacht: ein Bett mit Nasenbluten und
geschwollenen Augen.) Tausche zwei Eva-Äpfel gegen einen Adamsapfel
(oder so). Wenn sich ein Schmetterling in eine Raupe verwandelt, die Felix
heißt, dann nennt man das im vorliegenden Fall Geschlechtsumwandlung. Toni
Kittis Kamera war bei so etwas wie der hemmungslos verspielten
"Abschiedsvorstellung als Frau" dabei, wo der kreativ laszive
Paradiesfalter sein letztes Östrogen ausschwitzt (nach der Devise: Was
zieh ich zum Life Ball "aus"?). Bevor er dann im amputiertesten Sinne
"oben ohne" ist. Und Ari Saarto ist in die schäbige, menschenleere
Unterwelt hinabgestiegen (zur U-Bahn). In der Nacht, also zur Zeit des
Eidotters. (Obwohl ja der uralte finnische Schöpfungsmythos, wonach der
Mond ein riesiges Eigelb in Freilufthaltung ist, als widerlegt gilt, weil
Neil Armstrong ja keine Palatschinken von seinem Mondspaziergang
mitgebracht hat und weil seine ersten Worte da oben nicht waren: "Ein
kleines Quirlen für die Menschheit, aber eine große Eierspeis für mich.")
Die geradezu filmischen U-Bahn-Fotos sind voller potenzieller
Kapitalverbrechen, dass vielleicht eine finstere Gestalt plötzlich hinter
einem Pfeiler hervorspringt und brüllt: "Fahrscheinkontrolle!" Mann
und Frau, so verrenkt, wie das Kamasutra sie schuf. Bei der Hautfarbe legt
sich Leslie De Melo (bis 4. Juni in der Galerie Gabriel, Seilerstätte 19)
nicht fest. Auch "Blauhäute" und "Grüngesichter" ertüchtigen sich bei ihm
körperlich. Aber seine plakativen Liebespaare turnen vielleicht ohnedies
im kollektiven Unbewussten herum. Äußerst dekorative, mitreißend
optimistische Balz-Akrobatik. Also mir gelingt es nicht, mich dieser
farbgewaltigen und harmoniegeladenen "Kamasutra-Pop-Art" zu entziehen.
Ein Lineal kann unter gewissen Umständen sehr anziehend sein (für
Rationalisten sowieso). Bei Hans Grosch, der seine Farbflächen mit
praktisch unüberbietbarer Disziplin aufträgt, sieht man wieder einmal (bis
28. Juni in der Galerie Lindner, Schmalzhofgasse 13), wie sinnlich
"geordnete Verhältnisse" sein können. Noch dazu kippt der Blick dauernd
indiskret über die Bildkante. Um festzustellen, dass auch auf der Seite
die Welt in absoluter Ordnung ist.
Erschienen am: 31.05.2002 |
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