Auch das Kleinhirn joggt mit
Von Claudia Aigner
Wer modebewusst sein will, der stopft sein Kleinhirn fortan
in Fäustlinge von Wally Jungwirth. Dort ist es dann absolut stoßfest (auch
während der Stoßzeit in der U-Bahn). Und "hinterbackensicher". (Wenn man
sich versehentlich einmal draufsetzt, gibt es keinen Gehirnschaden.) Die
Galerie V&V (Bauernmarkt 19) zeigt noch bis 20. Jänner 2001 die
Highlights ihres Ausstellungsjahres 2000. Wobei die Grenzen zwischen
Schmuck, Mode und "Skulptur am Körper" verschwimmen. Und die
Fäustlinge von Wally Jungwirth sind natürlich für klitzekleine
Computerhirne gedacht, für Palmtops. Und sie zeichnen sich durch
phantasievolle Schlichtheit aus und durch ihre Praxisnähe: Beim Joggen
kann man sich seinen teuren "externen Verstand" etwa um die Wade
schnallen, ohne bei einem Sturz gleich eine "Gehirnerschütterung" zu
riskieren. Bei Judith Moser wird das schlichte Umhängen einer Tasche dann
endgültig zur Performance, zur "Taschenakrobatik". Nicht zuletzt, weil
dieses extravagant und vielseitig zu nutzende Accessoire aus Filz eine
Tasche mit Kapuze und fallweise eine Stola mit Löchern für die Schultern
ist. Wenn man alle Löcher dieses Taschenobjektes auskostet, hat man am
Ende leicht so viele Muskelzerrungen, als hätte man gleich das Kamasutra
ausprobiert. Nicht jede "Stellung" mag praktisch sein: Wenn man damit
herumgeht, ist man aber garantiert ein Ereignis. Raffinierte
Verrenkungen gibt es auch bei Blanka Sperková, die ihre Stücke (die
zwischen Schmuck und Objekt oszillieren und die sich in sinnlichen Ein-
und Ausstülpungen ergehen) aus feinem Silber- oder Stahldraht strickt. Die
Kette "He & She": die Schlange, die sich in den Schwanz beißt,
umgedeutet in einen Zwitter, der am einen Ende männlich und am andern
weiblich ist und sich mit sich selbst "zusammenstöpselt". Eine elegante,
glitzernde Öbszönität. Und Andrea Halmschlager hat Schmuckstücke mit einem
regelrechten Stammbaum erschaffen. Wenn man den Fünfwellenspitz mit einem
Vierwellenspitz (beide aus der Gattung der "Wellenspitzide")
"verheiratet", dann kommen dabei ein Kleeblatt, eine Spirale, ein Frosch,
eine Sternblume und eine Struktur heraus. Gregor Mendel hätte vor so viel
künstlerischer Freiheit bei der Handhabung seiner Vererbungslehre
gegraust, ich finde schon die Idee allein höchst originell. Wüsste man
nicht, dass der Urheber dieser Bilder Andreas Reiter Raabe heißt, würde
einem - zumindest angesichts seiner rosaroten Bilder - der Notname
"Meister der Wurstblattln" auf der Zunge liegen. Collageartig verteilt
Raabe (bis morgen in der Galerie König, Schleifmühlgasse 1a) auf seinen
Leinwänden omelettedicke Scheiben aus Acrylfarbe oder Lack. Man könnte
also auch von "Palatschinkenästhetik" sprechen (wo jemand Palatschinken
kreuz und quer aufs Bild klatscht). Bestechend: die Exaktheit und die
präzisen Überlappungen der Farbtöne. Was zufällig von den Bildrändern
tropft, nutzt Raabe gleich noch für ziemlich gesittete Tröpfchenbilder,
die von der Sinnlichkeit leben, die dabei entsteht, wenn der Zufall durch
ein bisschen Planung gebändigt wird. Raabes Tröpfchen verhalten sich ja zu
Jackson Pollocks "Drippings", wo der Pinsel leicht ein Schleudertrauma
davontragen kann, wie eine saubere Samenspende zu einem kompletten
Pornofilm.
Erschienen am: 22.12.2000 |
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