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vom 25.03.2011 - Seite 029
Der tägliche Horror, neu arrangiert

Erwin Wurm, einer der international erfolgreichsten zeitgenössischen Künstler unseres Landes, zeigt nun mit der Schau "Schöner Wohnen" im Wiener Museum für angewandte Kunst (MAK), was man aus abgetakelten, alten Möbeln gestalten kann.

Von Peter Grubmüller

OÖN: Was verbinden Sie selbst mit diesen ausrangierten Möbelstücken?

Wurm: Es ist das Graz, 60er, 70er Jahre, das war meine Umgebung, man könnte sagen, es war mein täglicher Horror. Neben der prinzipiellen Ästhetik hat mich interessiert, dass mit Einrichtung, mit Möbeln auch eine Haltung verbunden ist und wie sich das Bild - auch das eigene in diesem Zusammenhang - im Laufe der Zeit verändert. Enorm spannend bei dieser Veränderung von Bildern sind etwa auch diese Möbellager oder Sammelzentren, wo Leute alte Gegenstände ab- und weggeben. Ich hab' ja immer schon mit Abfallmaterialien gearbeitet, und sogar Abfall verändert sich.

OÖN: Wo haben Sie all die alten Kredenzen aufgetrieben?

Wurm: Bei der Caritas und bei Altwaren-Händlern. Angefangen hab' ich mit meinen eigenen Möbeln. Nein, meine Möbel waren es ja nie, vielmehr die meiner Großeltern und Eltern, aber das hörte sich schnell auf, weil die natürlich auch nicht bodenlos mit diesen alten Kästen ausgestattet waren.

OÖN: Welche Möbel werden Künstler in 40 oder 50 Jahren für Arbeiten wie Ihre verwenden?

Wurm: Hundertprozentig Ikea-Möbel. Ich treibe mich oft bei diesen Möbellagern herum, und Sie werden es nicht glauben, aber Ikea dominiert dort schon heute das Bild - also relativ kurz nach dem Auftauchen dieses Möbelhauses.

OÖN: Warum haben Sie sich auf übliche Möbelstücke der ursprünglichen Durchschnittshaushalte konzentriert?

Wurm: Eine Überlegung war, ob ich mich mit Stücken von berühmten Designern beschäftigen soll, mit Arbeiten von Charles und Ray Eames zum Beispiel. Von diesem Gedanken hab' ich mich aber wieder verabschiedet, weil das Ergebnis viel zu abgehoben gewesen wäre. Ich wollte in dieser bestimmten Zeit bleiben, aber auch in dieser Welt der gängigen Gebrauchsmöbel der Nachkriegs- und Aufbaugeneration, das ist wesentlich nachvollziehbarer.

OÖN: Kann es sein, dass die drei Stühle nicht Ihre Schöpfung sind?

Wurm: Ich wollte einen Stuhl ohne Lehne bauen und hab' viel zu lange daran herumgeschustert. Einer war fertig, dann bin ich draufgekommen, dass er viel zu klein war - das war eine schwierige Geburt. Aber der Stuhl, wie er hier steht, erfüllt den Zweck, er ist nichts Spezielles, und die Form ist nicht von mir, die gibt es sicher schon.

OÖN: In Ihrer Komposition stehen nun gestrickte gelbe Schuhe vor einem violetten Stuhl oder violette Schuhe vor dem roten Stuhl. Wie würden Sie reagieren, sofern Besucher die Schuhe austauschten?

Wurm (lacht): Ich würde sie zurücktauschen. Na klar, man könnte sie ausgetauscht stehen lassen. Tatsächlich ist es ja wurscht, wo die gelben Schuhe stehen und wo die violetten. Aber meine Vorgabe ist, dass sie so stehen, wie sie stehen, und meine Vorgabe gilt bei der Ausstellung.

Woher kommt die Idee, Stühle mit Strickgewebe zu überziehen oder das Obermaterial von Schuhen stricken zu lassen?

Wurm: Ich arbeite schon länger mit diesen Stricksachen, das habe ich schon vor zwei Jahren in Groningen, in Holland, verarbeitet. Es gibt dort dieses außergewöhnliche Wohnhaus, das Wall-house dieses amerikanischen Architekten (John Hejduk, 1929-2000, Anm.), dort habe ich eine Intervention gemacht und dabei die beiden Kuratoren ausschließlich mit Strick angezogen - Schuhe, Hose, Krawatte, alles Strick.

OÖN: Sie laden die Ausstellungsbesucher dazu ein, die umgestalteten Kredenzen zu benützen, nur diese Strick-Stühle und eine silberne Kredenz darf man nicht berühren - warum?

Wurm: Ehrlich gesagt - wirklich ehrlich, ich möchte die Stühle später bei mir zu Hause aufstellen, und weil dieses Gewebe so schnell verschmutzt, ersuche ich, die Stühle nicht zu berühren. Es wäre so mühsam, das alles noch einmal zu machen, man kann sich kaum vorstellen, wie verdammt viel Arbeit allein die Stühle waren. Und bei der Kredenz ist der Grund noch banaler: Ich habe die falsche Farbe benützt, sie färbt ab.

Tatsächlich ist es ja wurscht, wo die gelben Schuhe stehen und wo die violetten. Aber meine Vorgabe ist, dass sie so stehen, wie sie stehen, und meine Vorgabe gilt bei der Ausstellung.

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Erwin Wurm mit den gelben Schuhen auf dem violetten Stuhl.




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