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derStandard.at | Newsroom | Kultur | Bildende Kunst | Biennale von Venedig 
29. Mai 2009
17:56 MESZ

Venezianische Himmelserscheinungen: Der Mexikaner Héctor Zamora lässt mit "Sciame di dirigibili" einen Zeppelin-Schwarm über den Markusplatz ziehen.


Biennale-Chef Daniel Birnbaum.


Gelassen gegen die Üppigkeit
Der schwedische Kurator Daniel Birnbaum setzt als Chef der Kunstbiennale von Venedig auf "Welten machen" - auch oder gerade in Zeiten der Krise

...mit einer erdumfassenden Auswahl an Künstlern.

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Venedig/Wien - Dass Wladimir Klitschko als Kurator des Ukrainischen Pavillons der 53. Biennale von Venedig geführt wird, dürfte Daniel Birnbaum (ansonsten Direktor der Frankfurter Städelschule) ziemlich egal sein. Die Bestückung der Länderpavillons ist nicht seine Sache und die Diskussion darüber, ob es jetzt unkorrekt wäre, dass Nationen sich messen, längst gegessen.

Die Einzigartigkeit der Biennale von Venedig - seine Unique Selling Proposition - besteht eben genau darin und ist also einzuhalten. Nicht annähernd so viele Menschen würden die Giardini aufsuchen, wären nicht die mit jeweiligen Spitzenathleten angereisten Länderdelegationen. Und: Schließlich zahlen die sich ihre jeweilige Show selbst.

Das Rundherum als Job

Daniel Birnbaum ist für das Rundherum verantwortlich, für den programmatischen Teil der Biennale, der sich traditionsgemäß in einen großen Abschnitt im Arsenale und ein heuer kleineres Tortenstück im italienischen Pavillon aufteilt. Und das "Rundherum" von Venedig ist schlicht der Job, den man als Kurator haben kann (außer man kuratiert eine documenta in Kassel, was nicht zwangsläufig karrierefördernd ist).

Welten machen nennt Birnbaum seine Show: Behauptung gehört nun einmal zum Geschäft, auch oder gerade für gelernte Philosophen. Und Welten machen funktioniert auch oder gerade in Zeiten der Krise, die mitten in der Konzeptionsphase der Ansage ausgerufen wurde. Weil, sagt Birnbaum, die Künstler wollen unbedingt dabei sein. Das Budget ist dabei Nebensache. (Es ist weniger als in den letzten Jahren und wird mit einem Verzicht auf Videokobeln und Raumgestaltung ausgeglichen. Natürlich ist das Konzept.)

Im Gegenteil, vielleicht tut es ja der Kunst gut, dass umsatzlahme Galeristen im Moment nicht in der Lage sind, Projekte mit zu finanzieren, um derart ihren Schützlingen den je größeren, besseren, opulenteren Auftritt zu verschaffen - die Welten werden gebaut. So oder so. Ob sie versinken wie Einfamilienhäuser ohne stabiles Fundament, ist der Ewigkeit ohnehin egal. Und gebaut wurden Welten auch immer unbeeindruckt von Krisen. So wie überall Kunst gemacht wird. So wie zumindest die familiären Wurzeln der Künstler, die Birnbaum eingeladen hat, erdumfassend sind und Generationen verbindend.

Konzeptkunstvater John Baldessari oder der Berliner Thomas Bayrle oder der stille Weltenbaumeister Yona Friedmann übernehmen die Heldenrollen im Alten Testament. Gilbert & George sind als Reminiszenz auf den eben nicht salonfähigen Glamour dabei, Arto Lindsay wird wieder einmal vor viel Publikum spielen, und Gordon Matta Clarks zu gedenken, hält einem auch stets auf der sicheren Seite. Daniel Birnbaum baut auf Dramaturgie und wird mit seiner Schau versuchen, der bisher marktgestützten Üppigkeit ein wenig Gelassenheit entgegen zu halten. Ein wenig von dem, was das gemeine Künstlerleben so bestimmt.

Welten werden zumeist nicht aus Übermut gebaut, aus Laune. Viel eher ergibt sich der Plan aus existentieller Notwendigkeit. Und die kann, wie bei Georgés Adéagbo, dann zur Anhäufung diversen Materials und in Folge zu dessen pädagogisch absichtsvoller Gruppierung führen. Oder wie beim Südafrikaner Moshekwa Langa zu gänzlich ironiefreien kartographischen Phantasien. Birnbaum illustriert mit seinen Mitkuratoren seine Version des Laufs der Dinge, wird den 77 Länderspielen ringsum sehr gelassen kontern.

"Ein Kunstwerk ist mehr als ein Objekt, mehr als ein Artikel des täglichen Bedarfs", sagt Birnbaum. "Es stellt eine Vision von Welt dar, und, ernst genommen, muss es als ein Wegweiser, die Welt zu machen, betrachtet werden. Ein paar Zeichen auf Papier gebracht, eine kaum befleckte Leinwand, oder eine gewaltige Installation, können den riesigen Umfang an Möglichkeiten aufzeigen, Welten zu bauen. Die Kraft der Vision hängt absolut nicht von der Art der Komplexität der Werkzeuge ab, die bei ihrem Entstehen im Spiel waren."

Erinnerung an fette Jahre

Während ein paar Schritte weiter im Namen von Francois Pinault gezeigt wird, wie man das Geschäft die letzten Jahre betrieben hat. Der französische Großindustrielle und seit einigen Jahren Eigentümer des Palazzo Grassi wird mit der Punta della Dogana, dem ehemaligen Zolllager Venedigs ein weiteres Haus eröffnen, um seine Sammlerpotenz vorzuführen.

Ab 6. Juni wird dort zu sehen sein, was den Kunstmarkt bewegt hat - eine kleine Geschichte des Auktionswesens, ein wenig sentimentales Eingedenken der fetten Jahre.

Wladimir Klitschko wird womöglich zur Eröffnung des Ukrainischen Pavillons im Palazzo Papadopoli mit Damien Hirst tanzen. Jedenfalls zeigt der "Länderpavillon" der Ukraine auch einen Weg auf, nationale Pavillons zu bespielen: Private Sammler und Investoren übernehmen das Ruder. Der Staat zieht sich schweigend aus jeder Verantwortung für Gegenwartskunst zurück. Hauptsache, es wird siegreich aus dem Ring gestiegen. (Markus Mittringer, DER STANDARD/Printausgabe, 30./31.05. & 01.06.2009)

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