Wiener Zeitung · Archiv


Kunstberichte

Das Urinal – ein Kunstskandal

Von Christoph Irrgeher

Aufzählung "Was ist Kunst?": Eine Debatte im Dritten Lager informierte – und echauffierte.

Wien. Wenn das Dritte Lager über Kunst diskutiert, kann Entrüstung aufkommen. Auch von Seiten eines Künstlers – den das Internationale Institut für Liberale Politik Wien (ILP), eine BZÖ-nahe Organisation, selbstverständlich aufs Podium geladen hatte. "Ich habe mich nie verarschen lassen!", poltert Ernst Bruzek, ein Maler, der nach eigenen Worten "noch malt", gegen eine inkriminiert inhaltslose Moderne. Und: "Man muss kritisieren dürfen!" Ein Ruck geht durch den voll besetzten Saal im Bristol: "Bravo!", Applaus.

Die Wirkung eines gerade beendeten Vortrags schien da – trotz rhetorischen Charismas – verpufft: Kunstvermittler Christopher Widauer hat zu erklären versucht, warum die zeitgenössische Kunst nicht mehr jenen Kriterien gehorcht, die sich an der Wende zum 20. Jahrhundert normativ verfestigten: Abbild der Realität kann die Malerei nicht mehr sein, seit die Fotografie auf den Plan trat. Und auch der Kriterien handwerklicher Meisterschaft, Schönheit und Originalität ging die Kunst mit gutem Grund verlustig: Neue Schönheitsideale, neue Kunstbegriffe wollten erdacht und probiert sein. Liegt Kunst nur im Kunstwerk? Oder schon in der Idee? Und kann nicht auch ein Urinal Kunst sein?

Nein. Zumindest für einige Hörer, die sich zu Wort meldeten. Warum es nicht möglich wäre, Kunst heute einwandfrei zu erkennen, wurde gefragt – mit Verweis auf ein Elitegrüppchen, das sich das allein ausschnapsen würde.

Leider ohne Publizistin

Spannend, wenn auch keine Lösung da ein Statement des Rezensenten Klaus Billand: Die Inszenierungskunst, so meint er, ließe sich nicht konservieren – "weil es keine Kriterien für die Konservierung gibt".

Schade, dass die avisierte Kunstpublizistin nicht zur Diskussion kommen konnte. Man hatte sich anfangs gefreut, "auch Frauen" ankündigen zu können.

Donnerstag, 15. März 2007


Wiener Zeitung · 1040 Wien, Wiedner Gürtel 10 · Tel. 01/206 99 0 · Mail: online@wienerzeitung.at