23.09.2003 19:16
"Am Rande der Verantwortungslosigkeit"
Missstände an Kunstunis: Die Rektoren der Akademie und der Angewandten
sind ziemlich verzweifelt - Foto
Wien - Von den Sparmaßnahmen der Bundesregierung - dieses Jahr
wurde keine Universitätsmilliarde ausgeschüttet - und der fünfprozentigen
Budgetbindung durch Finanzminister Karlheinz Grasser sind auch die
Kunstuniversitäten massiv betroffen.
Gerald Bast, Rektor der Angewandten,
versteht beinahe die Welt nicht mehr: "Wenn man im Wissenschaftsministerium
vorrechnet, dass man die Rechnungen nicht mehr bezahlen kann, also ein Defizit
erwirtschaften wird, lautet die Reaktion bloß, dann werde eben ein
Disziplinarverfahren gegen einen eröffnet." Stephan Schmidt-Wulffen, Rektor der
Akademie der Bildenden Künste, sieht trotzdem keine andere Chance: "Notfalls
müssen wir eben 200.000 Euro Schulden machen."
"Kosten massiv
heruntergefahren"
Dabei hat man bereits in vielen Bereichen "die
Kosten massiv heruntergefahren", wie sich Schmidt-Wulffen ausdrückt: An der
Akademie wurde die freie Lehre eingeschränkt, die Budgets für die Bibliothek wie
für Reisen drastisch reduziert. Und Bast musste einen "absoluten Einkaufsstopp"
verhängen: Weder dürfen Bücher erworben noch Investitionen getätigt werden.
"Nicht nur, dass wir keine neuen Geräte erwerben können, wir können nicht einmal
die kaputten erneuern."
Die Situation sei nachgerade "beschämend" und
werde langfristig sehr negative Auswirkungen haben, meint Bast: "Wir sind mit
drei Universitäten in den USA Kooperationen eingegangen, unter anderem mit der
Rhode Islands School of Design und der Cooper Union in New York. Wenn wir aber
nicht investieren, können wir nicht
mithalten."
"Piepe"
Auch an der Akademie können heuer keine
Investitionen getätigt werden (vorgesehen war eine Größenordnung von 500.000
Euro). Laut Schmidt- Wulffen sei Grassers Vorgehen "am Rande der
Verantwortungslosigkeit". Bildungsministerin Elisabeth Gehrer bemühe sich zwar
um Goodwill-Aktionen, dem Finanzminister aber sei dies "piepe".
Die
beiden Rektoren haben zwar keine wirklichen Spielräume: Von den 12,8 Millionen
Euro, die der Akademie (exklusive Gemäldegalerie) heuer zugewiesen wurden,
entfallen mehr als zehn Millionen auf das Personal. Dennoch müssen sie auf
eigene Kosten aufgrund des neuen Universitätsorganisationsgesetzes (samt Ende
des kameralistischen Systems) eigene Rechnungswesen aufbauen:
"Die
Implementierung dieser neuen Struktur verursacht bei uns Ausgaben in der Höhe
von 223.000 Euro", sagt Schmidt-Wulffen. Weil zum Beispiel die zusätzlich
benötigten Controller und der Universitätsrat bezahlt werden müssen. "Ich musste
die Wirtschaftsprüfer, die unsere Eröffnungsbilanz erstellen, bitten, ihre
Rechnungen erst nächstes Jahr zu stellen, weil ich sie nicht bezahlen kann", so
Bast.
Die beiden Kunstunis haben gemeinsame Arbeitsgruppen eingerichtet,
um das neue System in den Griff zu bekommen. Von einer Zusammenlegung der
Verwaltung, wie aus FP-Kreisen wiederholt angedacht, hält Bast jedoch nichts:
"Die eigene Verwaltung ist Teil der Identität eines Hauses. Wer das in Abrede
stellt, der eröffnet einen Kampf gegen die zeitgenössische Kunst." Und
Schmidt-Wulffen kann sich lediglich vorstellen, dass die Unis gegenseitig
abgelegte Prüfungen anerkennen und ihre Ausbildungspläne angleichen. Sehr wohl
aber sei eine Profildiskussion zu führen. Das heißt: Die künftig eigenständigen
Unternehmen müssen sich programmatisch voneinander abgrenzen. Was für die
Akademie bedeute, sich auf die Kunst als autonome Praxisform (und nicht als
Werk) zurück zu besinnen.
"Die Schlinge wird immer
enger"
Auf das Budget für 2004 angesprochen, meint Bast verärgert,
dass die Wissenschaftsministerin zwar immer wieder betont habe, die Rektoren
mögen in mehreren Jahren denken, doch das könne er nicht, da man ihn bis dato
nicht unterrichtet habe, mit welchen Mitteln er künftig operieren dürfe.
Schmidt-Wulffen pflichtet Bast bei, erwartet aber eine leichte Entspannung -
wenn auch nur kurzfristig, da die Bundeszuwendungen gedeckelt sind: "Die
Schlinge wird immer enger gezogen." Die Akademie müsse daher genau prüfen, "ob
wir vakante Stellen nachbesetzen".
Da Klassen aber eine Leitung brauchen,
sofern sie nicht, wie jüngst die Tapisserie, aufgelöst werden sollen, sind die
Möglichkeiten minimal. Theoretiker hingegen, die keine Klassen leiten, seien,
wenn überhaupt, eher zu entbehren. Und so hat sich der Rektor entschlossen, den
Ende September auslaufenden Vertrag von Éric Alliez, der Ästhetik und Soziologie
lehrt, nicht zu verlängern - obwohl ein internationaler Protestaufruf gestartet
wurde. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 24.9.2003)