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04.07.2003 20:46

Dem Assoziatör ist nichts zu schwör
Franz West im Kunsthaus Bregenz (KUB) - Foto

Bregenz - 1995 veröffentlichte Franz West ein Büchlein mit dem Titel Otium (lat.: Muße), ein Faksimiledruck mehrfach überarbeiteter, maschinengeschriebener Texte. Die Schrift wurde mit Tipp-Ex teilweise übertüncht, von Hand korrigiert, wiederholt ausgebessert, aber nie vollkommen, sodass man die ursprüngliche Fassung immer noch erahnen kann. Ergebnis ist ein vielschichtiger Text, bei dem jeder Satz mehrfach interpretierbar ist.

West nannte dies sein "autorisiertes Handbuch für künftige Ausstellungen", und es liest sich auch wie ein Programm der aktuellen Retrospektive We'll not carry coals im Kunsthaus Bregenz. Aus den Arbeiten lässt sich eine Fülle von Anspielungen destillieren, die sich allerdings oft nur mithilfe des Katalogs (54 €) erschließen.

Man erinnert sich vielleicht an die Passstücke, jene aus Polyester modellierten Gerätschaften, mit denen sich Franz West in den 70ern seinen Namen machte. Leicht angerostet und vergilbt, werden einige diese Objekte in einer Vitrine ausgestellt. Die Passstücke sind Instrumente für den Gebrauch am Körper, die keinen direkten Nutzen haben, kultische Geräte sozusagen. Wenn man Nutzen hinzufügt, ergibt sich ein Möbel.

Einige Beispiele aus der Westschen Möbeldesignwerkstatt früherer Jahre stehen in der ersten KUB-Etage, geschweißte Stahlstühle und ein Sofa mit Textilüberwurf. Seine aktuellen Stühle wurden aus grelltürkisem Kunststoff gefertigt. Diese so genannten Hainis imitieren einen roh behauenen Baumstumpf, an dem noch Rinde dran ist und stehen dutzendfach im Foyer herum, Sitzgelegenheiten für KUB-Veranstaltungen.

Ursprünglich, so West, wollte er ja echte Bäume nehmen, wie ein "Spätbürgerschreck", doch das wäre einer "Vergeudung von Ressourcen" gleichgekommen. Da in der Kunst die Sublimierung eine Rolle spiele, sei eben eine "Pseudonatur" herausgekommen, in bester Tradition von Minimal Art. So wurde ein "Möbel in einer vergeuderischen Gestaltung" geschaffen - zum verschwenderischen Verkaufspreis von 2750 Euro.



Brachiale Technik

Eigentlich hätte die Ausstellung ja ein "Schauspiel in fünf Akten" sein sollen, so KUB-Direktor Eckhard Schneider. Den fünften Akt, eine Riesenskulptur auf dem Dach mit dem Namen Corona, hat der Künstler jedoch gecancelt (Corona-Virus, Sars . . .). Doch für Ersatz wurde gesorgt: West wurde von einem Sammler eine Ducati Monster (Kilometerstand 1395) zur künstlerischen Verwertung überlassen. Diesem Motorrad verpasste West am Freitagabend mit laufendem Motor und vor Publikum eine Fango-Kur, ein Moorschlammbad also, das "einen dann zur starren Haltung zwingt" (West).

Die Fango-Ducati wird im obersten Geschoß des KUB wie ein "Reiterdenkmal" aufgestellt, gegenüber einer hünenhaften Skulptur mit dem programmatischen Namen Drama. Man könnte diesen raumfüllenden Wurst-Darm-Auswuchs auch als eine Mischung aus Rennstrecke und Achterbahn interpretieren. Werden diese Objekte in Beziehung gesetzt, ergibt sich laut West "Abwertendes zum Thema Motorrad". Bis 14. 9. (DER STANDARD, Printausgabe vom 5./6.7.2003)


Von
Michael Heinzel

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