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31.05.2002 - Ausstellung
In Beuys' Büro: Rückblick auf eine "documenta"
Zum Start der "documenta 11" in Kassel nächste Woche blickt die Wiener Kunsthalle im "Project Space" am Karlsplatz auf die skandalträchtige "documenta" von 1972 zurück.


In diesen Tagen steht die Kunstwelt wieder einmal Kopf, ein Großereignis nach dem anderen will gejagt werden: Ab 12. Mai rotiert der Kunstmarkt um die wohl wichtigste internationale Kunstmesse, die "Art Basel". In Frankfurt läuft seit einer Woche die europäische Biennale von Gegenwartskunst, die Manifesta 4, mit 80 Teilnehmern aus 30 Ländern. Sie fristet heuer ein bemitleidenswertes Schattendasein. Denn alles konzentriert sich auf Kassel, wo ab 6. Mai die mit viel Geheimniskrämerei beworbene documenta 11 hohe Erwartungen zu erfüllen hat.

In der fast fünfzigjährigen Geschichte der monumentalen, alle fünf Jahre stattfindenden Schau, hat sie sich den Ruf einer inoffiziellen Weltkunstausstellung aufgehalst. Historische Vorbilder werden für jeden Leiter, wie auch jetzt für Okwui Enwezor, zum dräuenden Maßstab seiner Leistung.

Eine solche Schlüsselstellung nimmt die documenta 5 ein, die 1972 unter dem ebenfalls bereits legendären Ausstellungsmacher Harald Szeemann für Schlagzeilen sorgte. Durch seine Konzeption wurde er prägend für die Ausstellungskultur des 20. Jahrhunderts. "Besser sehen durch documenta 5" lautete der eindringliche Slogan.

Statt des Museums der 100 Tage propagierte er "100 Tage Ereignis", holte "Parallele Bildwelten" - das hieß Material aus Alltagskultur, Werbung, Science Fiction, Volksfrömmigkeit - in die damals noch annähernd hehren Hallen der Kunst. Berühmt wurde etwa das "Büro der Organisation für direkte Demokratie" von Joseph Beuys. Aktionismus, Happening, Performance: Quasi nostalgisch kann die Wiener Kunsthalle heute ihre Schau getrost "Skandal und Mythos" betiteln.

In Kooperation mit der Basis Wien und dem Kasseler documenta-Archiv wurde im "project space" am Karlsplatz noch nie öffentlich gezeigtes Originalmaterial aufbereitet: Archiv muß nicht gleich Langeweile heißen. Denn in die Präsentation der Schriftstücke, Zeitungsausschnitte, Photos, Videos haben sich drei junge Künstler eingemischt. Christian Jankowski, Sabine Groß, Tobias Rehberger ließen sich inspirieren und schufen den anregenden zeitgenössischen Rahmen der Ausstellung. sp

Bis 29. Juli. Täglich 13 bis 19 Uhr.



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