In diesen Tagen steht die Kunstwelt wieder einmal Kopf,
ein Großereignis nach dem anderen will gejagt werden: Ab 12. Mai
rotiert der Kunstmarkt um die wohl wichtigste internationale Kunstmesse,
die "Art Basel". In Frankfurt läuft seit einer Woche die europäische
Biennale von Gegenwartskunst, die Manifesta 4, mit 80 Teilnehmern aus 30
Ländern. Sie fristet heuer ein bemitleidenswertes Schattendasein. Denn
alles konzentriert sich auf Kassel, wo ab 6. Mai die mit viel
Geheimniskrämerei beworbene documenta 11 hohe Erwartungen zu erfüllen hat.
In der fast fünfzigjährigen Geschichte der monumentalen,
alle fünf Jahre stattfindenden Schau, hat sie sich den Ruf einer
inoffiziellen Weltkunstausstellung aufgehalst. Historische Vorbilder
werden für jeden Leiter, wie auch jetzt für Okwui Enwezor, zum dräuenden
Maßstab seiner Leistung.
Eine solche Schlüsselstellung nimmt die documenta 5 ein,
die 1972 unter dem ebenfalls bereits legendären Ausstellungsmacher Harald
Szeemann für Schlagzeilen sorgte. Durch seine Konzeption wurde er prägend
für die Ausstellungskultur des 20. Jahrhunderts. "Besser sehen durch
documenta 5" lautete der eindringliche Slogan.
Statt des Museums der 100 Tage propagierte er "100 Tage
Ereignis", holte "Parallele Bildwelten" - das hieß Material aus
Alltagskultur, Werbung, Science Fiction, Volksfrömmigkeit - in die damals
noch annähernd hehren Hallen der Kunst. Berühmt wurde etwa das "Büro der
Organisation für direkte Demokratie" von Joseph Beuys. Aktionismus,
Happening, Performance: Quasi nostalgisch kann die Wiener Kunsthalle heute
ihre Schau getrost "Skandal und Mythos" betiteln.
In Kooperation mit der Basis Wien und dem Kasseler
documenta-Archiv wurde im "project space" am Karlsplatz noch nie
öffentlich gezeigtes Originalmaterial aufbereitet: Archiv muß nicht gleich
Langeweile heißen. Denn in die Präsentation der Schriftstücke,
Zeitungsausschnitte, Photos, Videos haben sich drei junge Künstler
eingemischt. Christian Jankowski, Sabine Groß, Tobias Rehberger ließen
sich inspirieren und schufen den anregenden zeitgenössischen Rahmen der
Ausstellung. sp
Bis 29. Juli. Täglich 13 bis 19 Uhr.
© Die Presse
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