VN Mo, 17.9.2001

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"Bin ein Scharlatan - aber auf hohem Niveau"

Gelungenes Transmitter-Wochenende

VON CAROLA KILGA

Hohenems (VN) Nein, diesmal fuhr Gottfried Bechtold nicht mit der Walze vor. Auch nicht mit dem Panzer. Dafür gab es bei Christoph Schlingensief noch ein paar freie Plätze in der virtuellen Boeing-Maschine, Endstation World Trade Center.

Vier Scheinwerfer, vier Gießkannen, ein zentraler Benzinkanister. Eine Videowall im Hintergrund, eine "Soundwall" gegenüber, ein Gitarrist am Rande. Dies sind die Utensilien für eine Hörperformance à la Bechtold. Aus den Boxen dröhnen schauerlich-altbekannte Radionachrichten: Golfkrieg, die Diskussion um die Neutralität Österreichs - emotionslos gesprochen, aber hochemotional unterbrochen durch Musik - Vivaldis "Sommer", den "Radetzy-Marsch", schneidende E-Gitarrenklänge, hohe Frauenstimmen. Dazu: ein Gießkannenreigen mit Bechtold. Das Wasser fließt von einer Kanne in die nächste, immer hastiger, viel geht daneben. Dann das Ende: Knallkörper, eingewickelt in Papier, getränkt mit Benzin, werden angezündet. Eine Explosion - zum Nachdenken.

"Ich bin Bin Laden"

Der Bechtoldschen Performance folgte der umstrittene Regisseur Christoph Schlingensief, der "Scharlatan auf hohem Niveau". Das erste, was das Publikum zu sehen bekam, war die Frage "Warum steht die Freiheitsstatue noch?" auf einer Schultafel. Das soll keine Provokation sein, denn Schlingensief betreibt nach eigenen Worten nur "Selbstprovokation" - eine Projektionsfläche für jene, die sich auf den Schlips getreten fühlen. Und solche saßen auch im Publikum. Die Gemüter waren erhitzt, die Meinungen geteilt. Kein Wunder: Schlingensief setzt auf das Extreme. So stellte er sich als Bin Laden vor, lud die Zuhörerschaft dazu ein, einen virtuellen Flug gen World Trade Center zu unternehmen und riet lautstark vom Aktienkauf ab. Videovorführungen seiner Aktion "Bitte liebt Österreich" im Rahmen der Wiener Festwochen und dem Chaos-Talk "U3000" (gesendet auf MTV) wechselten sich mit Einführungen in die Marktwirtschaft, sozialen Krisenexperimenten ("Mama, wo ist bei uns das Klo?") und selbst gesungenen Liedern ab. Leider blieb die erwartete Besprechung des "Hamlets" am Zürcher Schauspielhaus aus.

Ausklang

Samstags lud "Fad Gadget" zu einer Zeitreise in die achtziger Jahre ein - mit einer brachialen Bühnenshow, die beinahe das Transmitter-Budget gesprengt hätte - wollte Sänger Frank noch mit Boxen werfen.

Christoph Lissy ließ dann mit seiner Performance "Bildhauerei - eine Penetrationsparaphrase" das Festival ausklingen: die "Soundlounge" (gemeinsam mit Hans Platzgummer erstellt) bildete gleichzeitig auch den Rahmen für die Präsentation seines Comicbandes "Egon Flex". Wer der Performance lauschte, weiß jetzt, wie Lissy beim Schaffen eines Kunstwerkes vorgeht.

Schlingensief: extrem. Bechtold: gießt. (Fotos: Kilga)




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