VON CAROLA KILGA
Hohenems (VN) Nein, diesmal fuhr
Gottfried Bechtold nicht mit der Walze vor. Auch nicht mit dem
Panzer. Dafür gab es bei Christoph Schlingensief noch ein paar freie
Plätze in der virtuellen Boeing-Maschine, Endstation World Trade
Center.
Vier Scheinwerfer, vier Gießkannen, ein zentraler
Benzinkanister. Eine Videowall im Hintergrund, eine "Soundwall"
gegenüber, ein Gitarrist am Rande. Dies sind die Utensilien für eine
Hörperformance à la Bechtold. Aus den Boxen dröhnen
schauerlich-altbekannte Radionachrichten: Golfkrieg, die Diskussion
um die Neutralität Österreichs - emotionslos gesprochen, aber
hochemotional unterbrochen durch Musik - Vivaldis "Sommer", den
"Radetzy-Marsch", schneidende E-Gitarrenklänge, hohe Frauenstimmen.
Dazu: ein Gießkannenreigen mit Bechtold. Das Wasser fließt von einer
Kanne in die nächste, immer hastiger, viel geht daneben. Dann das
Ende: Knallkörper, eingewickelt in Papier, getränkt mit Benzin,
werden angezündet. Eine Explosion - zum Nachdenken.
"Ich bin Bin Laden"
Der Bechtoldschen Performance folgte der umstrittene
Regisseur Christoph Schlingensief, der "Scharlatan auf hohem
Niveau". Das erste, was das Publikum zu sehen bekam, war die Frage
"Warum steht die Freiheitsstatue noch?" auf einer Schultafel. Das
soll keine Provokation sein, denn Schlingensief betreibt nach
eigenen Worten nur "Selbstprovokation" - eine Projektionsfläche für
jene, die sich auf den Schlips getreten fühlen. Und solche saßen
auch im Publikum. Die Gemüter waren erhitzt, die Meinungen geteilt.
Kein Wunder: Schlingensief setzt auf das Extreme. So stellte er sich
als Bin Laden vor, lud die Zuhörerschaft dazu ein, einen virtuellen
Flug gen World Trade Center zu unternehmen und riet lautstark vom
Aktienkauf ab. Videovorführungen seiner Aktion "Bitte liebt
Österreich" im Rahmen der Wiener Festwochen und dem Chaos-Talk
"U3000" (gesendet auf MTV) wechselten sich mit Einführungen in die
Marktwirtschaft, sozialen Krisenexperimenten ("Mama, wo ist bei uns
das Klo?") und selbst gesungenen Liedern ab. Leider blieb die
erwartete Besprechung des "Hamlets" am Zürcher Schauspielhaus aus.
Ausklang
Samstags lud "Fad Gadget" zu einer Zeitreise in die
achtziger Jahre ein - mit einer brachialen Bühnenshow, die beinahe
das Transmitter-Budget gesprengt hätte - wollte Sänger Frank noch
mit Boxen werfen.
Christoph Lissy ließ dann mit seiner Performance "Bildhauerei -
eine Penetrationsparaphrase" das Festival ausklingen: die
"Soundlounge" (gemeinsam mit Hans Platzgummer erstellt) bildete
gleichzeitig auch den Rahmen für die Präsentation seines Comicbandes
"Egon Flex". Wer der Performance lauschte, weiß jetzt, wie Lissy
beim Schaffen eines Kunstwerkes vorgeht.
Schlingensief: extrem. Bechtold: gießt. (Fotos:
Kilga)