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vom 03.11.2007 - Seite 028
Der malende Liedermacher

Eine Weltpremiere: Chemnitz zeigt bis 3. Februar in den Kunstsammlungen das bildnerische Schaffen von Bob Dylan. Einen Teil der Werke malte der Liedermacher eigens für diese Ausstellung. Offen ist, ob die Bilder gekauft werden können.

Von Roland Mischke

Karl Marx hat Karl-Marx-Stadt, wie das sächsische Chemnitz in der DDR hieß, zeit seines Lebens nie betreten. Bob Dylan, 66, wird es vielleicht auch nie tun. Dennoch hängen nun für mehrere Monate in den Chemnitzer Kunstsammlungen, einem knapp 100 Jahre alten neoklassizistischen Prunkbau am Theaterplatz, seine Bilder. Die meisten waren noch nie ausgestellt.

Mehr noch: Der Balladenmeister hat eigens für diese Ausstellung Bilder gemalt. Wie die Direktorin der Kunstsammlungen, Irene Mössinger, das geschafft hat, bleibt ihr Geheimnis. Angeblich erhält das Management von Bob Dylan pro Tag etwa 400 Anfragen, kaum eine davon sickert zu dem Star durch.

Womöglich war es die Tatsache, dass Mössinger vor fünf Jahren schon einmal einen Coup gelandet hatte, die die Folklegende beeindruckte: Damals verblüffte sie mit der Ausstellung "Picasso und die Frauen", in ihrem Anschreiben wies sie darauf hin.

Von Paul McCartney über David Bowie bis zu Udo Lindenberg hat schon mancher Popmusiker seine Aquarelle gezeigt. Aber Kritik und Publikum konnten sich am Nebenstrang der U-Musik-Kunst nicht so recht weiden.

Bob Dylan hat sich bereits als bildender Künstler erwiesen. Vor seiner Musikkarriere studierte er Kunst, einige seiner Plattencover malte er selbst (1968 "Music From Big Pink", 1970 mit einem verfremdeten Selbstporträt von "Self Portrait"). 1994 hatte er einen kleinen Band mit dem Titel "Drawn Blank" publiziert, der Irene Mössinger bei einem New-York-Besuch in die Hände gefallen war. Sofort war die Idee da, auf die vielleicht noch nie zuvor jemand gekommen war.

Dylan im Arbeitsrausch

Obwohl sich der Künstler seit 1989 auf einer rastlosen Welttournee befindet, nahm er sich nach Mössingers Anfrage acht Monate Zeit und geriet in einen Arbeitsrausch. 170 Bilder aus "Drawn Blank" kolorierte er in Varianten, neue Bilder fertigte er an.

Insgesamt ist die Pop-Ikone in den Kunstsammlungen mit 322 Werken vertreten. Er zeichne und male, hat er geschrieben, um "den ruhelosen Geist wieder zu fokussieren". Zu sehen sind Stadtansichten, Straßenszenen, Hotelzimmer, Menschen, die der Musiker unterwegs kennen gelernt hat, aber auch zahlreiche Stillleben. In den späten Sechzigern hatte er, der auch poetische Texte schreibt, bei einem Russen in New York Zeichenunterricht genommen.

In seinen "Chronicles" heißt es: "Ich setzte mich an den Tisch, nahm Papier und Stift zur Hand und zeichnete die Schreibmaschine, ein Kruzifix, eine Rose, Stifte, Messer und Reißzwecken, leere Zigarettenschachteln. Nicht dass ich mich für einen großen Zeichner gehalten hätte, aber ich hatte doch den Eindruck, dass ich eine gewisse Ordnung in das Chaos um mich herum brachte." Gegenständliche Bilder, die der Selbstfindung und der Welterkennung dienen. 1989, als in Europa durch den Mauerfall die Weltordnung neu formiert wurde, war Dylan in New Orleans und malte Straßenbilder in kräftigen dunklen Farben. Auch symbolische Zeichnungen wie ins Leere führende Eisenbahnstränge, oder die Einsamkeit vom "Mann auf einer Brücke" ziehen Aufmerksamkeit auf sich.

Vorliebe für Brünette

Dylans vielgerühmte Beobachtungsgabe zeigen auch die Bilder. Er ist ein begnadeter Geschichtenerzähler. Farbgebung und Linienführung erinnere an Matisse, die schwankenden Perspektiven an Max Beckmann, raunen Kritiker. Andere erkennen eine Vorliebe ihres Schöpfers für brünette Frauen und architektonische Interessen. Bob Dylan wird darüber schmunzeln. Vermutlich zeichnet er vor allem, um Gefühle zu bannen - wie in seinen Songs.

Irene Mössinger hat den Kunstmarkt bewegt. Schon gibt es Anfragen aus der Schweiz und den USA, obwohl noch gar nicht klar ist, ob die Bilder verkäuflich sind. Höchstpreise könnten sie wohl kaum erzielen: Sie sind nicht unverwechselbar, aber sehr persönlich. Sie zeigen die Welt des Bob Dylan, und deshalb reisen seine Fans jetzt nach Chemnitz.

Info: Bob Dylan - The Drawn Blank Series, Kunstsammlungen Chemnitz, bis 3. Februar, Mo. bis Fr. 12 bis 19 Uhr, Sa., So., Feiertag 11 bis 19 Uhr, Montag geschlossen, Eintritt 7 Euro, Katalog 28 Euro. www.chemnitz.de/kunstsammlungen

Was bedeutet schon Geld? Ein Mensch ist erfolgreich, wenn er zwischen Aufstehen und Schlafengehen das tut, was ihm gefällt.

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Bob Dylan

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