Salzburger Nachrichten am 03. Juni 2004 - Bereich: kultur
Das Mädchen und die Rehe

"Videodreams" im Grazer Kunsthaus: Vom Experimentier- zum Massenmedium

GRAZ (SN-m.b.). Von einer experimentellen Kunstform zu einem "Leitmedium", wie es in den Begleittexten zur Ausstellung "Videodreams" heißt: Mehr als drei Jahrzehnte nach der beachtlichen und international beachteten Thematisierung der Videokunst in der Grazer Ausstellung "trigon ’73" befasst sich eine von Adam Budak kuratierte Schau im Grazer Kunsthaus mit "cinematischen und theatralischen" Aspekten im zeitgenössischen Videoschaffen.

Videokunst, und das ist eine der Thesen der Ausstellung, hat ihre Abhängigkeit vom Medium Fernsehen abgelegt, einen eigenständigen Kanon entwickelt, flirtet sozusagen aber zugleich auch mit dem Film, dem Theater und der bildenden Kunst.

Ein Handicap in der Emanzipation bleibt. Video ist als Massenmedium definiert und produziert - wie Peter Weibel in seinem Buch "Die Beschleunigung der Bilder" ausführt - maschinenerzeugte, -beschleunigte, und -bewegte Bilder, die dem historischen Kunstverständnis widersprechen. "Videodreams" fokussiert den Blick auf - zum Teil bereits bekannte - Arbeiten, die sich zwischen Realität und Einbildung, Inszenierung und Tagtraum bewegen. Arbeiten, die in mysteriöse Zwischenwelten entführen, wo schlafende Mädchen Besuch von Rehen erhalten (Teresa Hubbard/Alexander Birchler), die Beklemmung verströmen, ohne konkret zu werden (Stan Douglas) oder Geschichten in den Köpfen der Betrachter entstehen lassen (Mark Lewis). In manchen (Alb-)Träumen sind filmische Vorbilder nicht zu leugnen.

Catherine Sullivan verknüpft auf fünf Schwarzweißprojektionen historische und fiktive Sequenzen, der Verzicht auf Ton steigert die Konzentration auf Gestik und Mimik der Akteure. Rodney Graham ist mit seinem zehn Jahre alten Video präsent, welches den Künstler schlafend bei einer Autofahrt zeigt, Katarzyna Kozyra befriedigt mit einem schrillen Nachtflug in die Homosexuellen-Szene auch voyeuristische Gefühle. Schwarzer Humor trieft aus dem Video von Fabienne Audeoud/John Russell, in dem sich die Künstler "in the style of William Burroughs" töten. "Videodreams": bis 19. 9. 2004, Kunsthaus Graz; Info: www.kunsthausgraz.at