Textarchiv OÖNachrichten www.nachrichten.at/archiv
Hauptausgabe vom 08.05.2003 - Seite 009
GESPRÄCH: Kropshofer/Schilcher stellen im Museumsquartier aus

Bruchstellen des Systems

VON CHRISTIAN PICHLER

Willkommen in der Welt der Superreichen! Wenn Sie das nötige Kleingeld haben, können Sie ein luxuriöses Appartement auf dem Traumschiff "The World" - das weltweit erste dieser Art - mieten. Oder besser noch (für die Betreiber): Sie kaufen ein Appartment. Sie müssten nur ein paar Millionen Dollar auf der Seite haben. Übrigens, alleine die Betriebskosten machen jährlich um die 20.000 Dollar aus. Minimum.

Hans Kropshofer und Manuel Schilcher vom freien Linzer Kunstforum "transpublic", haben sich Anfang April auf "The World" eingemietet. Die Reise dauerte eine Woche, das Schiff kreuzte zu dieser Zeit vor Australien. Der künstlerische Zugang von Kropshofer/Schilcher: Wie funktioniert ein geschlossenes System, als das "The World" konzipiert ist? Kann es überhaupt funktionieren? Wo sind die Bruchstellen? Die Resultate des Projekts "The world of ..." werden bis 29. Juni im Wiener Museumsquartier gezeigt, Eröffnung ist morgen (siehe Kasten).

Nur mit Magnetkarte

"Wir setzen uns in unseren Arbeiten prinzipiell mit geschlossenen Systemen auseinander", erklärt Schilcher im OÖN-Gespräch. "Ich würde mit demselben Ansatz auch in eine Favela gehen. Auch das ist ein Ghetto, das ich abbilden will." Das Künstlerduo wurde nach der Rückkehr mit Mails von der Agentur mit Sitz in Miami geradezu bombardiert: Was genau planten sie der Öffentlichkeit zu zeigen? Inklusive scharfer Hinweise darauf, was rechtlich gestattet sei und was nicht.

Es gehe auch um das "Recht der Bilder", sagt Schilcher. Auf die Mauertaktik der Agentur haben Kropshofer/Schilcher in der Gestaltung der Ausstellung mit einer "Gegengeschlossenheit" reagiert. Soll heißen, im Museumsquartier entstand ein "Raum im Raum". Ein Teil (mit PR-Material zu "The World") ist für jeden zugänglich, für den Innenteil benötigt der Besucher eine Magnetkarte. "Unser bearbeitetes Material zeigen wir nur denen, die's wirklich interessiert. Haben wir das Gefühl, es handelt sich um einen Anwalt, wird er nicht reingelassen."

Ergebnisse der Recherchen, Schilcher nennt ein Beispiel: Es werde streng zwischen einer exklusiven Klasse an Bord und "the public" (die Öffentlichkeit, Anm.) unterschieden. Das geschlossene System der Exklusivität hat aber Lücken. Weil noch nicht alle Appartements ausgebucht sind, seien die Betreiber auch auf "Peanuts" angewiesen. Auf Geld von Durchschnittsverdienern also, was wiederum die Exklusivität der Superreichen relativiert.

Drängende Frage an Schilcher: Wenn auch bei dem Projekt Sozialkritik vermieden werden sollte, spielt nicht auch Schadenfreude mit? "Nein, das wäre übertrieben. Eher wundere ich mich, dass bei diesem hohen Aufwand solche konzeptuellen Schwächen bestehen. Aber die Idee ist nicht unwitzig, das hat schon seine Lebensqualität."

Einkaufszentren & weitere Beiträge

Staatssekretär Franz Morak und LH Josef Pühringer eröffnen "The world of ..." morgen (19), im Wiener Museumsquartier. Ausstellungsdauer bei freiem Eintritt bis 29. Juni, Di.-So., 14-20 Uhr. Zum Thema "geschlossene Systeme" sind drei weitere Beiträge zu sehen:

· Andrea Knobloch (Düsseldorf), "Leisure Valley": Das Einkaufszentrum als Wunschmaschine; die Gewalt nach außen.

· Gerhard Dirmoser (Linz), "Zwei Augen im Quartier": Soziologische Studien zur "Kunst der Ausstellung".

· David Lechner (Linz), "Raumeffekte": Stadtstruktur und Milieuentwicklung am Beispiel des Wiener Museumsbezirkes. (pic)


© Alle Rechte vorbehalten. Nutzung ausschließlich für den privaten Eigenbedarf.