Knusper, knusper, knäußchen oder: Hundertwassers hübsche Häuschen
Von Claudia Aigner
Hatte Friedensreich Hundertwasser einen Knusperhexen-Komplex?
Seine Neubauten oder bloß "behübschten" Gebäude sehen jedenfalls zum
Reinbeißen aus (die Dächer werden freilich eher Grasfressern oder
Rasenmähern munden). Vorbildliche Knusperhäuschen also. Mit dem einen
Unterschied: Touristen verlaufen sich nicht dorthin. Sie kommen in voller
Absicht. Und sie sollen sogar überfallsartig Wohnungen besichtigen. (Ein
"Hänsel-und-Gretel-Trauma" bei den Mietern würde mich daher nicht
wundern.) Im KunstHausWien, das ja selbst ein
"Hundertwasser-Permanent-Make-up" trägt und sich die ehemalige
Thonet-Möbelfabrik nicht mehr anmerken lässt, zeigt man nun in memoriam
Friedensreich Hundertwasser (der am 19. Februar 2000 verstorben ist) knapp
20 Architekturmodelle. "Gehasst - Gebaut - Geliebt. Von der Utopie zur
Realität" (bis 25. Februar 2001). Besonders passend (und stimmungsvoll):
der Blumentopf-Dschungel. Für die Dauer der Ausstellung gibt es hier also
einige "Baummieter" mehr. Der Malerarchitekt wollte der Natur ja die
Fläche, die er ihr als Architekt unten weggenommen hat, irgendwo oben
wiedergeben. Und wenn man ihn nur gelassen hätte, hätte er sicher den
ganzen Wienerwald auf den Dächern Wiens wiederaufgeforstet. Es ist zum
Schmunzeln, wenn vor dem KunstHausWien-Modell als Modellfigürchen ein Mann
mit Gehstock steht und wenn in der Eingangshalle des Kunsthauses, wo
Rollstuhlfahrer den ersten Gang einlegen müssen, angesichts des "Wellen
schlagenden" Fußbodens von einer "Melodie für die Füße" die Rede ist.
Gehbehinderte Personen denken da wohl instinktiv an eine
"Ich-fall-auf-die-Schnauze-Polka". Im KunstHaus ist aber
bezeichnenderweise dort, wo die Kunstwerke (der Wechselausstellungen)
durch umfallende Besucher beschädigt werden könnten, der Boden
bretteleben. Die Schau zeigt aber auch, dass der "Meister der
Zwiebeltürmchen", der in seinen Architekturträumen immer nur mit dem
gebogenen Lineal Striche zog, scheinbar hoffnungslose Fälle durch
"Verhundertwasserung" wieder hingekriegt hat: etwa das
Martin-Luther-Gymnasium in Wittenberg, einen kommunistischen Plattenbau.
Der "Hundertwasser-Aufschlag" ist möglicherweise wirklich billiger als das
Psychiaterhonorar für jeden einzelnen, trübsinnig gewordenen Schüler (noch
dazu, wo Hundertwasser hier ehrenamtlich gewerkt hat). Und in seinem
kindlich verspielten Thermendorf Blumau, das im Modellformat entfernt an
einen Minigolfplatz erinnert (wo man dann aber aufpassen muss, dass man
nicht in die Swimmingpools einlocht), macht sich Unbeschwertheit breit wie
in Gaudís "Park Güell". Wenn freilich eine Tankstelle dermaßen
idyllisch, quasi umweltbewusst unter Gras in Deckung geht wie eine
romantische "Auto-Tränke", dass sich der Vergleich mit einer Oase in der
Asphaltwüste geradezu aufdrängt, dann ist das schon ein bisschen skurril.
(Wo man doch schon im führerscheinfreien Alter weiß, dass jedes Auto die
Umwelt mindestens so arg verstinkt wie, man möge mir verzeihen, 90
furzende Pferde.) Wenn man irgendwann einmal Wasserstoff tankt und Autos
während der Fahrt nur noch "Wasser lassen" und der Straßenverkehr dann
gewissermaßen biologisch abbaubar ist, dann wäre auch die nette
"Hundertwasserschminke" passend. Aber was soll's: Schöner ausschauen als
herkömmliche Tankstellen tut sie ja. Moralisch bedenklich mag es auch
sein, eine Müllverbrennungsanlage (jene in Spittelau) so lange zu
"verknusperhäusern", bis sie wie eine Halbschwester der
Basilius-Kathedrale auf dem Roten Platz aussieht (wie eine
Abfall-Kathedrale). Oder wie aus Tausendundeiner Nacht, wo Scheherazade
den Müll vielleicht einfallsreich "wegerzählt". Natürlich kann man
gegen Hundertwasser gut polemisieren (ich tue das sehr gern). Und der
Verstand sagt einem ja auch: Diese Neo-Neuschwanstein-Schlösser und
Kunterbunt-Villen sind ziemlicher Kitsch. Aber gefallen tut's einem
irgendwie schon. Sigmund Freud hätte vielleicht gewusst, warum.
Erschienen am: 05.01.2001 |
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