Recht oder Eingriff?

Das Symposium "Der Preis der Freiheit" befasste sich mit den Methoden und Grauzonen der politischen Regulation von Öffentlichkeit.
Von Friedrich Tietjen.


Wenn kulturpolitisch kritischen Institutionen öffentliche Förderungen gekürzt oder höchst zögerlich ausgezahlt werden, ist das ein Eingriff des Staates in die Freiheit der Kunst und der freien Meinungsäußerung oder sein gutes Recht? Wird das gesunde Volksempfinden zum Stellvertreter des Zensors, wenn es von Boulevardzeitungen oder Parteien gegen Kunst und Künstler mobilisiert wird, ohne dass von einer inhaltlichen Auseinandersetzung die Rede sein könnte? Und gibt es schließlich neben solch 'böser' Zensur auch noch eine 'gute'? Eine, die Kinderpornografie und Antisemitismus verfolgt?


Keine ganz einfachen Fragen. Die Aufhebung der Zensur- und Pressegesetze hat wohl den grimmigen Zensor abgeschafft, der Texte zu Torsi verstümmelt und Bilder konfisziert. Beeinflussungen von Seiten des Staates oder der Parteien haben sich jedoch ungebrochen bis heute fortgesetzt. Dann etwa, wenn öffentliche Förderungen mehr oder weniger offensichtlich nach Wohlverhalten bemessen oder Gerichte bemüht werden, um unliebsame Kunst zu unterdrücken.

Causa Mühl

Otto Mühl ist dafür ein Beispiel aus jüngster Geschichte. 1998 stellte die Wiener Secession ein Bild des Aktionisten Otto Mühl aus. Der ehemalige FPÖ-Generalsekretär Meischberger fühlte sich dadurch verunglimpft - ohne es je gesehen zu haben. Er klagte.

Nachdem die Secession in erster Instanz gewann und in zweiter verlor, ist ihr Rekurs beim Obersten Gerichtshof Ende letzten Jahres abgewiesen worden. Nun muss die Secession nicht nur die Kosten für das Gericht und die Urteilsveröffentlichungen zahlen, das Mühl-Bild darf darüber hinaus auch nicht mehr ausgestellt werden.

Der Preis der Freiheit

Grund genug für die Künstlervereinigung, die Causa nicht nur vor den Europäischen Gerichtshof zu tragen, sondern auch die inhaltliche Auseinandersetzung in der Sache voranzutreiben. Sie richtete vom 23. bis 25. Februar unter dem Titel "Der Preis der Freiheit" ein international besetztes Symposium aus, das sich mit den Methoden und Grauzonen der politischen Regulation von Öffentlichkeit befasst. Abzusehen ist, dass manche Thesen Zündstoff bergen.

Kultur mit Politik

Die Vortragenden sind sich offenbar darin einig, dass dem Phänomen Zensur weder mit Selbstmitleid noch mit moralisierender Empörung beizukommen ist. Stattdessen stellt sich die Frage, ob westlicher Kultur zensurierende Elemente nicht notwendig eingeschrieben sind, wenn sie - wie Antje Schuhmann annimmt - imaginäre Gemeinschaften stiftet und, so Oliver Marchart, der nationalstaatlichen Identitätsbildung dient.

Zensur im Internet

David Casacuberta wiederum wird diskutieren, ob und nach welchen Maßgaben Zensur im Internet machbar ist. Und Georg Seesslen schließlich vermutet, dass Zensur zwar zum gängigen Repertoire des Rechtspopulismus gehört, es aber andererseits einen paradoxen 'Wunsch nach Zensur' geben könnte, nachdem massenmedial Bilder möglich sind, die künstlerisch ähnlich provokant nicht herstellbar sind. Genug Material für drei kontroverse Tage - und für mehr, wenn nach dem Symposium die ebenfalls geplante Publikation zum Thema erscheint.

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