Wenn kulturpolitisch kritischen
Institutionen öffentliche Förderungen gekürzt oder höchst zögerlich
ausgezahlt werden, ist das ein Eingriff des Staates in die Freiheit der
Kunst und der freien Meinungsäußerung oder sein gutes Recht? Wird das
gesunde Volksempfinden zum Stellvertreter des Zensors, wenn es von
Boulevardzeitungen oder Parteien gegen Kunst und Künstler mobilisiert
wird, ohne dass von einer inhaltlichen Auseinandersetzung die Rede sein
könnte? Und gibt es schließlich neben solch 'böser' Zensur auch noch eine
'gute'? Eine, die Kinderpornografie und Antisemitismus verfolgt?
Keine ganz einfachen Fragen. Die Aufhebung der Zensur- und
Pressegesetze hat wohl den grimmigen Zensor abgeschafft, der Texte zu
Torsi verstümmelt und Bilder konfisziert. Beeinflussungen von Seiten des
Staates oder der Parteien haben sich jedoch ungebrochen bis heute
fortgesetzt. Dann etwa, wenn öffentliche Förderungen mehr oder weniger
offensichtlich nach Wohlverhalten bemessen oder Gerichte bemüht werden, um
unliebsame Kunst zu unterdrücken.
Causa Mühl
Otto Mühl ist dafür ein Beispiel aus jüngster Geschichte. 1998 stellte
die Wiener Secession ein Bild des Aktionisten Otto Mühl aus. Der ehemalige
FPÖ-Generalsekretär Meischberger fühlte sich dadurch verunglimpft - ohne
es je gesehen zu haben. Er klagte.
Nachdem die Secession in erster Instanz gewann und in zweiter verlor,
ist ihr Rekurs beim Obersten Gerichtshof Ende letzten Jahres abgewiesen
worden. Nun muss die Secession nicht nur die Kosten für das Gericht und
die Urteilsveröffentlichungen zahlen, das Mühl-Bild darf darüber hinaus
auch nicht mehr ausgestellt werden.
Der Preis der Freiheit
Grund genug für die Künstlervereinigung, die Causa nicht nur vor den
Europäischen Gerichtshof zu tragen, sondern auch die inhaltliche
Auseinandersetzung in der Sache voranzutreiben. Sie richtete vom 23. bis
25. Februar unter dem Titel "Der Preis der Freiheit" ein international
besetztes Symposium aus, das sich mit den Methoden und Grauzonen der
politischen Regulation von Öffentlichkeit befasst. Abzusehen ist, dass
manche Thesen Zündstoff bergen.
Kultur mit Politik
Die Vortragenden sind sich offenbar darin einig, dass dem Phänomen
Zensur weder mit Selbstmitleid noch mit moralisierender Empörung
beizukommen ist. Stattdessen stellt sich die Frage, ob westlicher Kultur
zensurierende Elemente nicht notwendig eingeschrieben sind, wenn sie - wie
Antje Schuhmann annimmt - imaginäre Gemeinschaften stiftet und, so Oliver
Marchart, der nationalstaatlichen Identitätsbildung dient.
Zensur im Internet
David Casacuberta wiederum wird diskutieren, ob und nach welchen
Maßgaben Zensur im Internet machbar ist. Und Georg Seesslen schließlich
vermutet, dass Zensur zwar zum gängigen Repertoire des Rechtspopulismus
gehört, es aber andererseits einen paradoxen 'Wunsch nach Zensur' geben
könnte, nachdem massenmedial Bilder möglich sind, die künstlerisch ähnlich
provokant nicht herstellbar sind. Genug Material für drei kontroverse Tage
- und für mehr, wenn nach dem Symposium die ebenfalls geplante Publikation
zum Thema erscheint.