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Kunstberichte
Eine Ausstellung im MQ lässt die Grenzen zwischen Mode und Kunst verschwimmen

Chic untot in Hochglanz

Modefotografie für Fortgeschrittene: Der Belgier Frederik Heyman konnte die "Vogue"-Redaktion mit seinem bizarr-künstlerischen, aber breitenwirksamen Zugang überzeugen. Foto: Frederik Heyman

Modefotografie für Fortgeschrittene: Der Belgier Frederik Heyman konnte die "Vogue"-Redaktion mit seinem bizarr-künstlerischen, aber breitenwirksamen Zugang überzeugen. Foto: Frederik Heyman

Von Christina Böck

Aufzählung Natürlich kann man es machen wie Louis Vuitton. Die Nobelmarke geht besonders gern Allianzen mit Künstlern ein. Nachhaltig war etwa jene mit dem japanischen Pop-Artisten Takashi Murakami: Noch Jahrzehnte später tummelten sich putzig-bunte Mangafigürchen auf gefälschten Portemonnaies. Luxuslabels umgeben sich gern mit Kunst, um ihr seichtes Image mit etwas Tiefgründigkeit zu verbrämen. Die Kollegen von Hermès haben sich vor einiger Zeit mit dem österreichischen Künstler Erwin Wurm zusammengetan, der auf die ihm eigene surreal-ironische Weise die Ästhetik des französischen Traditionsunternehmens persiflierte.

Es gibt aber einen weiteren Aspekt der Symbiosen von Kunst und Mode: Die angesprochenen Zielgruppen nähern sich immer mehr an. Das hat die Modeklasse der Universität für Angewandte Kunst im Frühling ausgenützt und ihr Defilee von der Künstlergruppe Gelitin gestalten lassen.

Eindimensional rätselhaft

Die Genregrenzen verschwimmen sowieso schon lange. Und genau in diesen Dunst stellt sich die Ausstellung "Get in the Haze" im Museumsquartier. Da zeigen Künstler, die Designer sind, und Designer, die Künstler sind, ihre Arbeiten. Etwa die australisch-belgische Modeschöpferin Narelle Dore, die für ihre Kollektionen Strickwerk mit Laser schneidet und so alte Tradition mit neuen Technologien kreuzt. In ihrem Kunstzugang ist sie eindimensionaler, aber rätselhafter: Für die Ausstellung hat sie einen "Magic Garden" wachsen lassen, lila-blau-pastellige Styropor-Stalagmiten, sekundiert von einer Schaumstofftrauerweide.

Wachsen lässt auch Lars Paschke etwas: Der deutsche Designer legt seine Kleider in Lösungen, die innerhalb von einigen Tagen Kristalle auf Bluse und Co. entstehen lassen. Das Projekt nennt er in Anspielung auf Adolf Loos "Ornament ist Verbrechen", allerdings mit dem leider auch nicht viel originelleren Zusatz in dem Zusammenhang: "Verpackung ist das halbe Leben". Und doch ist seine Arbeit eine der magnetischeren dieser Schau, so wie das beinahe meditative Video von Bart Hess, der sein Model in der hypnotischen Dauerschleife gelee-artige Hüte und Michelin-mäßige Hosenbeine überziehen lässt. Immer wieder. Seine Arbeit für Musikvideos kann er da freilich nicht verleugnen.

Plakativer geht es Maquis mit der "Venus Fly Trap" an: Da steht eine Schaufensterpuppe in weißem Minikleid mit Dornenschulterpolstern und wacht über eine Kolonie von durchaus nicht als Spargel zu verstehendem Spargel hinter Stacheldraht. Die erotische Macht der gut gekleideten Frau wurde schon hintergründiger dargestellt. Der Belgier Frederik Heyman wiederum arbeitet genau mit der hochglänzenden Plakativität von Modefotografie, auch bei der extra für Wien gemachten Fotoserie "Rapid Creek": Nur dass seine Bilder etwa bizarre Visionen von Untoten mit Gedärmmangel zeigen. Aber so gestylt, dass sie trotzdem in einem breitenwirksamen Magazin wie der "Vogue" abgedruckt werden. Subversion oder Assimilierung? Weiß man nicht. So wie vieles diffus bleibt in dieser Hybridausstellung.

Und dann gibt es natürlich die Spaßvögel, die einer solchen Ausstellung, die oft Gefahr läuft, mit allzu gewollter Kopflastigkeit ins Leere zu taumeln, ganz gut tun. Etwa die spanische Künstlerin Irene Alvarez. Ihr auf den ersten Blick folkloristisch anmutender Wandteppich mit Ethno-Muster entpuppt sich als Suchspiel nicht nur für Teilzeit-Hippies: Im Zentrum des Neon-Gobelins prangt ein fröhlicher Smiley, der von einem mexikanischen Symbol nicht unbedingt sofort zu unterscheiden ist. Oder Jean-Paul Lespagnard. Der belgische Allround-Künstler, der einst als Biene verkleidet durch Mexiko reiste und auf dessen Homepage man, wenn man wissen möchte, was seine Zukunft bringt, auf eine Tarot-Homepage geleitet wird. Sein Beitrag zu "Get in the Haze" ist ein Hut – und der besteht aus einer umgedrehten Zimmerpalme mit eingewobenem Fleckerlteppich. Keine Frage, er würde ihn sich sicher auch aufsetzen.

Aufzählung Ausstellung

Get in the Haze
"Freiraum Quartier 21".http://www.m-q.at/index.php?kat_id=34
Museumsquartier
bis 5. 9., Eintritt frei
Präsentation Frederik Heyman
7. 6., 20 Uhr

 

Printausgabe vom Freitag, 27. Mai 2011
Online seit: Donnerstag, 26. Mai 2011 17:16:28

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