DiePresse.com | Kultur | Kunst | Artikel DruckenArtikel drucken


Garage X: Elke Krystufek macht Theater

14.04.2011 | 18:40 | von BARBARA PETSCH (Die Presse)

„Hub“, eine bilderreiche und assoziative Performance über die Liebe zwischen Orient und Okzident, wirkt auf amüsante Weise erhellend. Seit Mittwoch in der Garage X am Petersplatz zu sehen.

Christoph Schlingensief ist tot. Wer könnte auf seinen Spuren das Theater beleben? Vielleicht die bildende Künstlerin Elke Krystufek. Mit markanten Selbstporträts und öffentlicher Masturbation ist die 40-jährige Wienerin bekannt geworden. Später stellte sie männliche Akte aus, ein emanzipatorisches Exempel: Akte sind in der Kunstgeschichte meist weiblich. Die Arnulf-Rainer-Schülerin ist aber auch in Performance und Aktionskunst beschlagen.

„Hub“ lautet der Titel ihrer Inszenierung, die seit Mittwoch in der Garage X am Petersplatz zu sehen ist. Hub bedeutet auf arabisch Liebe – es heißt aber auch Netzwerk (engl. Nabe). Wir sehen, kurz gesagt, Immigranten aus dem Orient, die sich wie Westler verhalten und umgekehrt. Krystufek gibt den „Fremden“ unsere Stimme – und siehe da, sie sind wie wir. Unentwegt scheinen die Figuren die Rollen zu tauschen, sie sprechen „in Zungen“, Englisch, Arabisch, Deutsch.

Sie wechseln die Geschlechter. Es beginnt mit dem Muezzin-Ruf (Allah ist groß...), der anfangs klingt wie von einer Frau gesungen, dann ist eine Männerstimme zu hören. Ein Paar zelebriert eine Lovestory: von der Leidenschaft, den großen Gesprächen, Eifersucht, dem großen Streit, der fundamentale kulturelle Klüfte offenbart, wiewohl die beiden von der gleichen Art sind, bis hin zu Abtreibung und Trennung.

Eine Bauchtanztruppe, angeführt von einem androgynen Tänzer (Alexandros Syrakos), erscheint immer wieder: Anfangs wird im T-Shirt geprobt, dann kommt die Gruppe in sexy Goldstretch und sieht dabei aus wie von einem anderen Stern herbeigeweht. Schließlich fegen die Tänzer/innen in den traditionellen Kostümen über die Bühne. Zwei Männer versuchen sich ebenfalls am Bauchtanz, offenbar ein Liebespaar. Ein Galerist erklärt seinem Künstler die Welt und die Abwesenheit Gottes. Auch Elke Krystufek selbst kommt in ihren Figuren zu Wort: Die bildende Kunst macht einen depressiv, im Theaterdunkel ist man geborgener als im grellen Licht der Ausstellungshallen, heißt es einmal, oder: Warum musste ich unbedingt nach Dubai und Oman? Weil der Name so schön klingt. Die Botschaften in eigener Sache bewegen sich locker zwischen Nonsens, Bonmot und Binsenweisheit.

Mit Stefan Bidner hat Krystufek Videos hergestellt: Eine der Skihallen aus der arabischen Welt weitet sich zur von arabischen(?) Touristen bevölkerten Berglandschaft. Die Vermummten schauen natürlich alle gleich aus. Das Tollste sind die muskulösen neusachlichen Männerskulpturen, die in einer der Filmsequenzen auf ihren Penissen, die wie Schrauben aussehen, über ein endloses Meer rasen: Auch so lässt sich Kapitalismus(-Kritik) abbilden.

 

Leichtfüßig durch die globalisierte Welt

Nicht alles ist verständlich, manches wirkt dilettantisch. Vor allem scheint Krystufek mit Sprache weniger souverän umgehen zu können als mit Bildern. Khaled Sharaf El Din, Tamara Metelka und Andreas Patton bilden das engagierte Ensemble.

Der Reiz dieses assoziativen Gebildes theatralischer Objets trouvés liegt in der Gesamtwirkung. Insgesamt: eine frische, witzige Aufführung, die ohne Belehrung, Blasphemie oder Multikultigetue welthaltig wirkt. Am Schluss verbeugt sich die stilisiert orientalisch gekleidete Regisseurin lächelnd vor ihrem etwas ratlosen Publikum, eine Illustration ihrer Kreation. In der Saison 2005/2006 zeigte Krystufek mit dem Kollektiv „monochrom“ „theater/kunst/form“ im Hundsturm, der Dependance des Volkstheaters. Vielleicht holt sie ein mutiger Direktor einmal an ein großes Haus.


© DiePresse.com