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Kunstberichte

Der Aktionist, der zum Tafelbild zurückkehrte

Adolf Frohner ist im 73. Lebensjahr gestorben – er galt als eine der wichtigsten Gestalten der Gegenwartskunst
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- Adolf Frohner: Frau sitzend (Radierung auf Papier).

Adolf Frohner: Frau sitzend (Radierung auf Papier).

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- Adolf Frohner: Europäisches Landschaftsbild (Öl auf Leinwand, 1990).  Fotos: OeNB

Adolf Frohner: Europäisches Landschaftsbild (Öl auf Leinwand, 1990). Fotos: OeNB

Von Edwin Baumgartner

Aufzählung Mitbegründer des Aktionismus.
Aufzählung Skandale in den 1960er Jahren.
Aufzählung Professor an der Hochschule für angewandte Kunst.

Wien. In den 1950er Jahren wurde Adolf Frohner wegen "mangelnder Eignung zur Malerei" die Aufnahme an der Akademie der bildenden Künste in Wien verwehrt. 1972 wurde derselbe Adolf Frohner als Professor für Aktzeichnen an die Hochschule für angewandte Kunst in Wien berufen, wo er von 1985 bis 2005 eine Meisterklasse für Malerei leitet und von 1999 bis 2005 Vorstand des Instituts für bildende Kunst ist.

Am Mittwochabend ist Adolf Frohner im 73. Lebensjahr überraschend verstorben. Erst am 19. Jänner war in Krems-Stein der Spatenstich zu einem Adolf-Frohner-Museum erfolgt, das noch im laufenden Jahr eröffnet werden soll.

Revolte und die etablierte Kunst

Adolf Frohner – das bedeutet ein Leben, das anfangs von der Revolte gegen die etablierte Kunst, dann von wachsender Anerkennung geprägt war. Und schließlich ist Frohner selbst zum etablierten, mit Ehrungen überhäuften Künstler geworden.

Der am 12. März 1934 in Groß-Inzersdorf (Niederösterreich) geborene Künstler war im Grunde Autodidakt. Vorlesungen an der Akademie der bildenden Künste in Wien konnte er nur als Gasthörer besuchen. In den 1950er Jahren schlug er sich als Werbegrafiker beim Verband der Elektroindustrie und als Kunstkritiker durch.

1961 entscheidet sich Frohner für ein Leben als freischaffender Maler und Grafiker. Um seinen Lebensunterhalt zu verdienen, arbeitet er als Auslagenarrangeur, Geometergehilfe und Wäschezusteller, bis ihm ein Unesco-Stipendium einen Aufenthalt in Paris und Kontakte zur Gruppe der "Nouveaux Réalistes" ermöglicht.

Und es gibt erste Preise – schon 1961 beim Wettbewerb in Abisola Marina etwa. 1966 folgt der Theodor-Körner-Preis. Stationen auf dem Weg zum internationalen Durchbruch sind die Biennale Sao Paulo (1969) und die Biennale Venedig (1970). Mit der Berufung zum Professor an die Hochschule für angewandte Kunst wird Frohner auch in Österreich endgültig als etablierter Künstler angesehen.

In seinen Anfangswerken orientiert sich Frohner an Paul Cézanne, Pablo Picasso und Paul Klee. In der Folge entwickelt er seine Arbeiten aus freiem Gestikulieren heraus, was konsequent zum Aktionismus führte.

1962 ist dann das Stichjahr: Frohner begründete gemeinsam mit Hermann Nitsch und Otto Mühl den Wiener Aktionismus mit einer Aktion, in der sich Frohner, Mühl und Nitsch drei Tage lang im Perinetkeller einmauern. Im Manifest "Blutorgel" werden die Absichten des Aktionismus dargelegt.

Trennung vom Wiener Aktionismus

Der Wiener Aktionismus versucht, vereinfacht gesagt, den Entstehungsprozess eines Werkes zum eigentlichen Kunstwerk zu erklären. Was in der Folge dieses Schaffungsprozesses entsteht, ist nur ein Endprodukt dieses Schaffungsprozesses, nicht aber das eigentliche Ziel der künstlerischen Arbeit. Verkürzt: Der Weg ist das Ziel.

Allerdings trennt sich Frohner sehr bald vom Wiener Aktionismus: Er will nicht vor einem Publikum arbeiten – eine Einstellung, die dem Selbstverständnis des Aktionismus diametral entgegengesetzt ist.

Damit kehrt Frohner technisch gesehen zur traditionellen Malerei zurück, er setzt sich sogar wieder intensiv mit dem Tafelbild auseinander.

Motivisch allerdings geht Frohner eigene Wege. Die Ästhetik des Hässlichen scheint seine Arbeiten oberflächlich betrachtet in die Nähe des Expressionismus zu rücken. Allerdings kommen auch Einflüsse der Art brut hinzu, wie man die Kunstrichtung nennt, die überwiegend von psychisch kranken Künstlern geschaffen wird.

Die Themen von Frohners Bildern sind hauptsächlich gefesselte und vergewaltigte Frauen. Allerdings spielen auch religiöse Motive, oft in starker Verzerrung, eine große Rolle. Frohner ist hier zweifellos durch seine Zeit als Gymnasiast des Zisterzienserstiftes Zwettl geprägt.

Somit bleibt die Motivik von Frohners Malerei, teilweise auch die Art der Darstellung, dem Wiener Aktionismus verwandt, hat sich andererseits aber längst von den Postulaten des Aktionismus gelöst, bzw. diese zu einer freien, sehr persönlichen und von keiner Schule oder Gruppe bestimmten Ästhetik transzendiert.

Reaktionen auf den Tod von Adolf Frohner

Österreich verliere mit Adolf Frohner einen großen Aufsehen erregenden Künstler, sagte Bundeskanzler Alfred Gusenbauer zum Tod des Künstlers. Kunst sei für ihn kein ästhetischer Rückzugsort, sondern Mittel zur Auseinandersetzung mit der gesellschaftlichen Realität gewesen.

Die für Unterricht, Kunst und Kultur verantwortliche Ministerin Claudia Schmied (SPÖ) reagierte bestürzt auf den Tod Adolf Frohners. Dieser "war Zeit seines Lebens eine polarisierende, provozierende und vor allem prägende Figur der Kunst und Gesellschaft unseres Landes", sagte Schmied laut einer Aussendung.

"Einer der größten Künstler in Österreich"

Frohner sei "einer der größten Künstler in Österreich nach 1945 und einer der verdienstvollsten für die Kunst- und Kulturpolitik" gewesen, meinte Albertina-Direktor Klaus Albrecht Schröder gegenüber der APA. "Ich, wir alle in der Kunstwelt, sind zutiefst erschüttert von dem völlig unerwarteten und überraschenden Tod", sagte Schröder, der mit Frohner auch "einen ganz engen Freund" verliert.

Betroffen reagierte auch Ex-Kunststaatssekretär Franz Morak (ÖVP) in einer Aussendung. In seinen Bildern habe Frohner "die großen Geschichten vom Mensch-Sein erzählt und als Maler und Zeichner gleichermaßen den Intellekt und die Sinne verwöhnt".

In memoriam Adolf Frohner ändert das ORF-Radio Ö1 sein Programm: Am 28. Jänner ist um 14.05 Uhr in der Reihe "Menschenbilder" ein Porträt Adolf Frohners zu hören. Die erstmals im Februar 2001 ausgestrahlte Sendung gestaltete Mirjam Jessa.

Donnerstag, 25. Jänner 2007


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