18.04.2003 19:17
Die Kunst, nicht in Panik zu verfallen
Schröder und Rachinger zur Budgetsituation
Wien - Man müsse nicht gleich in Panik verfallen, nur weil es
für die Bundesmuseen keine Erhöhung der Basisabgeltung geben werde, hatte
Wilfried Seipel, der Generaldirektor des Kunsthistorischen, gegenüber dem
STANDARD (in der Ausgabe vom 16. April wurde exklusiv über die Entscheidung der
Regierung berichtet) gemeint. Doch diese Aussage stößt seinem Kollegen Klaus
Albrecht Schröder von der Albertina ziemlich sauer auf.
Denn eine Studie,
die vom Bildungsministerium in Auftrag gegeben worden war, ermittelte einen
Mehrbedarf für die Albertina von 2,1 Millionen Euro und für das KHM von rund
einer Million. Diese Million stellt nur ein Zwanzigstel der Subvention, die
Seipel derzeit lukriert (20,2 Millionen Euro), dar, während die 2,1 Millionen
über 40 Prozent der staatlichen Zuwendung für die Albertina (5,1 Millionen Euro)
entsprechen: "Wenn Seipel einen ähnlich hohen Mehrbedarf hätte, würden ihm acht
Millionen fehlen", sagt Schröder. Und dann würde sein Kollege vielleicht doch in
Panik verfallen, wenn das Geld, das ihm noch vor zwei Monaten vom
Bildungsministerium versprochen worden sei, nun nicht käme.
Schröders
Krux ist, dass die Basisabgeltung für die Albertina vor vier Jahren, als das
Palais geschlossen war und man nur eine rudimentäre Ausstellungstätigkeit
betrieb, fixiert wurde. Dass diese Beträge bei Vollbetrieb nicht ausreichen
konnten, war jedem klar, auch Sektionschef Peter Mahringer, der rechten Hand von
Ministerin Elisabeth Gehrer. Laut Schröder gebe es sogar ein Protokoll, in dem
die Zusicherung auf eine happige Erhöhung festgeschrieben
wurde.
Albertina: Rekorde
Dass er nicht in Panik
verfalle, weil in das Leben seiner Mitarbeiter eingegriffen werde, deren
Kündigung im Raum steht, hat er nur einem Umstand zu verdanken: Die Albertina
ist - nicht zuletzt aufgrund Schröders Vermarktungsstrategien - ein Renner
sondergleichen. In nur fünf Wochen Laufzeit wurden 106.000 Besucher gezählt und
4000 Exemplare des Munch-Katalogs verkauft. Täglich finden rund 40 Führungen
statt.
Diesen Erfolg hatte man im Ministerium Schröder nicht zugetraut
gehabt: Seine Einnahmenrechnung war als unrealistisch bezeichnet worden. Und man
verlangte eine Reduzierung der Ausgaben um 600.000 Euro, sollte sich nach einem
Beobachtungszeitraum von nur einem Monat herausstellen, dass die Zahlen nicht
erreicht würden.
Da der Chef aber mit "nur" 140.000 Besuchern in drei
Monaten rechnete und im Endeffekt zumindest 200.000 verbucht haben wird, ist ein
respektables Plus zu erwarten. Dass dieses aber nur ein Tropfen auf dem heißen
Stein sein kann, ist Schröder bewusst: "Es schmerzt, dass man seinen Kurs nicht,
wie geplant, weiterverfolgen kann, obwohl er derart erfolgreich
ist."
Prognose nicht erfüllt
In die Diskussion
eingeklinkt hat sich auch Rudolf Leopold, der darüber Klage führt, sein Museum
erhalte "das niedrigste Budget von allen", nämlich nur 2,5 Millionen Euro
jährlich, und das sei "ungerecht". Allerdings war der Staat 1994, als man die
Gründung der Stiftung beschloss, von 600.000 Besuchern jährlich ausgegangen:
Man nahm an, dass nach Ankauf der Sammlung um 160 Millionen Euro und der
Errichtung des Museums um rund 29 Millionen Euro die öffentliche Hand nicht
weiter belastet würde. Oder nur im geringen Ausmaß: Der Betrieb hätte sich
angesichts der populären Inhalte (Egon Schiele) selbst tragen sollen.
Tatsächlich aber kamen längst nicht so viele Besucher: Leopold benötigte doppelt
so lange wie Klaus Albrecht Schröder, um den 100.000. Besucher begrüßen zu
können. Und kam nach einem Jahr nur auf 300.000.
ÖNB:
Erfolgsbilanz
Was für die Bundesmuseen (und Bundestheater) gilt,
trifft natürlich auch auf die Nationalbibliothek zu: Sie erhält 2003 und 2004
ebenfalls nicht mehr Geld. Aber Johanna Rachinger hat ähnliche
Managementqualitäten wie Schröder: Die Generaldirektorin steigerte 2002, in
ihrem ersten Jahr, den Eigendeckungsgrad von drei auf zehn Prozent, reduzierte
eklatant die Kosten - und erhöhte das Ankaufsbudget für Bücher um 50 Prozent auf
international vergleichbares Niveau. In Panik verfällt sie daher nicht. Aber:
"Wir haben bereits sehr viel ausgereizt. Daher brauchen auch wir zusätzliche
Mittel. Denn sonst fallen uns bei einer Erhöhung der Bezüge die Personalkosten
auf den Kopf." Allein diese machen 70 Prozent der Gesamtausgaben aus. (DER
STANDARD, Printausgabe vom 19./20.4.2003)