Über das Erzählen

Das MUMOK zeigt Jeff Walls fotografische Interpretation eines riesigen Schweizer Monumental-
gemäldes: Das Bourbaki-Panorama.


Drei Wochen lang arbeitete der kanadische Künstler Jeff Wall 1993 in Luzern, um das vom Maler Edouard Castres entworfene Rundbild des Bourbaki-Panoramas im fotografischen Bild festzuhalten.

"Restoration", 1994 (Zum Vergrößern anklicken) / ©Bild: Jeff Wall

Wall verwirklichte mit "Restoration" eine Bildidee, die ihn seit den 80er Jahren beschäftigt hatte: Die Darstellung von Restauratorinnen, die in die Arbeit an einem monumentalen Gemälde der Alten Meister vertieft sind.

Das Bild

Das Bourbaki-Panorama entstand zwischen 1876 und 1881 in einer Rotunde in Luzern und ist bis heute dort zu sehen. Edouard Castres arbeitete mit zahlreichen Maler-Kollegen - unter ihnen auch Ferdinand Hodler - an dem riesigen Rundbild.

Historie

Das Panorama stellt ein humanitäres Ereignis in der Geschichte des 1848 gegründeten Schweizer Bundesstaates dar. Gegen Ende des deutsch-französischen Kriegs 1870/71 geriet die französische Ostarmee immer mehr in deutsche Bedrängnis. Oberst Bourbaki unternahm 1871 einen Selbstmordversuch.

Sein Nachfolger General Clinchant sah keine andere Möglichkeit der Einkreisung der deutschen Truppen zu entgehen, als die Schweiz um Asyl für seine Armeen zu bitten. Die Schweizer Behörden willigten ein.

Soldatentreck

Drei Tage lang überquerten 87.000 ausgehungerte und zerlumpte Soldaten mitten im Winter die Schweizer Grenze im Jura. Nach ihrer Entwaffnung wurden die Soldaten in verschiedenen Landesteilen bei der Zivilbevölkerung untergebracht. Die Kranken und Verwundeten wurden vom Roten Kreuz in Obhut genommen.

Zeitgenössische Interpretation

Jeff Walls Fotografie zeigt nun in einem grau-weißlichen Licht die Restaurierungsarbeiten. Im Vordergrund ist eine Restauratorin in ihre Arbeit vertieft. Eine Andere lehnt in Gedanken verloren an der Balustrade des Gerüsts.

Visueller Fake

Eine Art Irritation umgibt das Bild im Leuchtkasten. Ein gemalter Gatter, der die Soldaten von der übrigen Bevölkerung in der Schneelandschaft trennt, findet seine faktische Materialisierung in einem gegenständlichen Zaun, der auf weißer Plane in die Holzkonstruktion ragt. Imagination und abgebildete Realität fließen ineinander.

Erzählerisches Element

Jeff Wall hat hier ein 360 Grad umfassendes Rundbild in eine 180 Grad große Aufnahme gebracht. Eine Narration, die in der Moderne eher dem Kino vorbehalten blieb, wird hier wieder in die Bildende Kunst rückgeführt.

Jeff Wall versteht auf diesem Klavier wie kein Zweiter zu spielen. Wie dies zuletzt auch bei seinem vorjährigen "documenta"-Beitrag "Invisible Man" zu sehen war.

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