Besuch vom richtigen Leben
Von Claudia Aigner
Das wirkliche Leben wurde 1966 in Glasgow geboren, ist
männlich und macht sich einen Spaß daraus, an den unterschiedlichsten
Orten aufzukreuzen (mit nichts weiter am Leib als karierten Shorts). Und
einmal ist das wirkliche Leben sogar als glaubwürdige Wasserleiche
angeschwemmt worden. Was das alles soll? Natürlich soll wieder einmal die
Kunst in das Leben und das Leben in die Kunst hinein. Ross Sinclair
geht als das personifizierte richtige Leben durchs Leben, hat nämlich die
Worte "Real Life" auf seinen Rücken tätowiert. Wenn er nun allen möglichen
Örtlichkeiten einen Besuch abstattet (was äußerst bösartig oder einfach
nur banal, aber immer ziemlich ironisch anmutet), dann fällt das
vermutlich unter - dezente - Body Art. In den Fotos in der Galerie Knoll
(Esterházygasse 29, bis 13. Jänner) platzt Sinclair bloßfüßig und mit
seiner berüchtigten kurzen Hose, also unpassend gekleidet, in einen noblen
Landsitz hinein. Und gesellt sich als leibhaftiges "echtes Leben" zu den
"verstaubten" Gemälden an den feudalen Wänden hinzu. (Ein anzüglicher
Kontrast.) Und ist dabei nicht weniger ein Kunstwerk als jenes
geburtsfrische Baby, das von Warhol signiert und somit zu einem echten
Warhol gemacht wurde, was aber vor Gericht als Beweis (bei einer
Vaterschaftsklage) wohl nicht standgehalten hätte. Sinclair hat die
Galerie nun mit zwei Assistenten bunt ausgemalt und sich dabei körperlich
verausgabt wie Michelangelo in der Sixtinischen Kapelle (freilich nur
gemessen an der heutigen schnelllebigen Zeit und schnelllebigen Kunst).
Und hat die Fotos von seinem Besuch im altreichen Ambiente mitten
hineingeklebt in den Satz: "All that is solid melts into air" (Alles was
fest ist, löst sich in Luft auf). Heißt das: Alles vergeht und in
karierten Shorts sind alle Menschen gleich (nicht einmal Prince Charles
wäre gleicher)? Die Schau regt auf alle Fälle die Fantasie an. Ich sehe
mich freilich außerstande, definitiv zu sagen, ob dieses Gesamtkunstwerk
gut ist. Jonathan Podwil (bis 11. Jänner in der Galerie T19,
Tuchlauben 19) hat in seinem Atelier die Lufthoheit. Nicht, dass er
regelmäßig unter dem Plafond herumfliegen würde. Nein, er hat hier mit
einem Modellflugzeug, einer "Stuka", ein bisschen Zweiter Weltkrieg
gespielt und dabei einen "authentischen" Dokumentarfilm gedreht und so
gründlich auf alt getrimmt, dass der Film aussieht, als hätte jemand ein
Säureattentat auf die Luftschlacht um England oder auf die ganze deutsche
Luftwaffe verübt. Kurz: Es schaut alles sehr abstrakt aus, bzw. ist der
Film "Stuka-Loop" das geglückte visuelle Äquivalent zum Knistern einer
"uralten" Vinylschallplatte, die obendrein noch einen Sprung hat.
Typisch: Das symbiotische Verhältnis zwischen den bewegten und
unbewegten Bildern (die filmische Ästhetik seiner Malereien und die
malerische Ästhetik seiner Filme). Podwil schaltet souverän zwischen
Malerei und Film hin und her und setzt gefundenes filmisches Material in
Malerei um. Oder er bastelt sich sein "Fundmaterial" selber, um es dann zu
"finden". Seine ausgedruckten Filmstandfotos sind dann aber weniger
berauschend.
Erschienen am: 05.01.2001 |
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