Ein Haus wird lebendig

Im Wifi-Linz liegen Kunst, Architektur und Wissen dicht beieinander. Jetzt können sie miteinander kommunizieren.
Von Andreas Wolf.


Mit den ersten Besuchern wird "Unit M", ein Medienkunstprojekt des Ars Electronica Centers, das gemeinsam mit dem Wifi-Linz entwickelt wurde, langsam aktiv. Wie ein Schlaftrunkener am Morgen muss das interaktive System erst geweckt werden. Leuchtzahlen, die in die tragenden Säulen des Gebäudes eingebaut sind, zählen das Öffnen und Schließen der Türen. Je höher die Zahl am Display, desto mehr Energie wird dem System zugeführt. Ab einem gewissen Wert beginnen die Leuchtschriften auf in den Fussboden eingelassenen, rechteckigen Modulen zu laufen - zuerst langsam. Mit der Datenmenge des Systems steigert sich auch der Energiehaushalt von "Unit M". Die Laufschriften werden schneller.


Überall sind Sensoren

Visuelle, akustische und taktile Sensoren messen die Aktivitäten innerhalb und außerhalb des Gebäudes. Die visuellen Sensoren erkennen die Bewegungsgeschwindigkeit der Besucher, die Farben ihrer Kleidung und die Lichtverhältnisse. Die akustischen Sensoren messen die Geräuschpegel in verschiedenen Gebäudeabschnitten.


Die taktilen Sensoren verlaufen im Stiegenhausgeländer, das von der Tiefgarage vor die Cafeteria des Wifis führt. Je öfter das Geländer berührt wird, desto kontaktfreudiger empfindet es seine Umgebung.

Neben den subjektiven Sensoren werden weitere Informationen über die Steuer- und Regelungstechnik des Hauses, das Geschehen im Internet und Eindrücke der äußeren Umwelt verarbeitet. Über User-Terminals vor Ort und aus dem Internet kann auch von außen in das System eingegriffen werden.

Zustände im Gebäude

Aus der Summe der Daten werden sechs Zustände gefiltert: geordnet, chaotisch, analog, digital, herausfordernd und abwartend. Diese beeinflussen die Geschwindigkeit der Texte am Boden und die Farbzirkulation auf fünf Neonsäulen.


Beim Zustand "geordnet" laufen die Texte gleichmäßig über die im Fußboden versenkten Module. An der Schnittstelle der kreuzförmig auseinanderlaufenden Gänge treffen sie zusammen, um dann in Richtung Lichtsäulen weiterzulaufen. Diese ragen leicht schräg, wie Speere in den Boden gerammt, in die Luft. Parallel hintereinander stehen sie auf einer Länge von cirka 50 Metern aufgefädelt. Zwei befinden sich vor dem Eingang der Cafeteria, drei durchdringen das Dach.

Wie bei einem Eisberg ist von außen nur ein Teil der Installation zu sehen. Der übrige Teil der Lichtmatrix, durchdringt die Cafeteria, durchstößt die Betondecke im Erdgeschoß und setzt sich in Richtung Tiefgarage fort. Der Zustand "geordnet" wird auf den Neonröhren durch den regelmäßigen Tausch der Farben Rot, Blau und Grün wiedergegeben.

Kohlenmonoxid ist rot

Jede Säule ist in Abschnitte unterteilt, die neben der Visualisierung des Gesamtzustands auch mit der jeweiligen Umgebung interagieren. Rote Lichtzeilen in der Tiefgarage stehen für den Kohlenmonoxidgehalt der Luft. Je höher der rote Farbanteil im Gegensatz zum Grün, das für kohlenmonoxidfreie Luft steht, desto mehr Autos frequentieren die Garage, desto mehr wird der Energiespeicher des Hauses aufgeladen.

Im Kaffeehaus wird die Bewegungsaktivität der Menschen und die Aktivität des Gebäudes durch die Messung der Heizungsleistung, des Warmwasser-
verbrauches und der Intensität der Lüftung visualisiert. Das vorhandene Wissen wird durch das Zählen der Internetabfragen sichtbar gemacht. Die menschliche Aktivität werden hier von der Farbe rot symbolisiert. Die Gebäudefunktionen sind blau. Grün steht für das Wissen. Je nach Aktivität ändern sich auch hier die Farben und der Energiespeicher des Hauses.

Auf die Außentemperatur und den Energieverbrauch des Gebäudes reagieren die beiden freistehenden Säulen mit Blau. Die Mondphasen werden durch rote Lichter signalisiert. Durch ein grün-blau-rotes Farbenspiel über dem Kaffeehausdach wird die Zahl der im Wifi aktiven Internetuser, der aufgesuchten URLs und der transportierten Kilobytes wiedergegeben.

Veränderung via Internet

Eine direkte Möglichkeit, mit "Unit M" zu kommunizieren, besteht über die vier im Haus verteilten User-Terminals. Über Hektik und Stress gibt das Bioresonanzterminal "Puls" Auskunft, das sich in der Eingangshalle neben dem Informationsschalter befindet. Dort kann man seinen Blutdruck, den Puls und den Hautwiderstand messen lassen. Die Daten werden im Halb-Stunden-Takt in das System eingespeichert und reagieren dort wiederum mit dem Energiezustand des Hauses.


Bei anderen User-Terminals kann über ein Stimmerkennungssystem, ein Lichtsystem und ein Textsystem mit Unit M kommuniziert werden. Das System kann auch über das Internet verändert werden.

Unit M macht Feierabend

Am Abend, wenn die Cafeteria geschlossen ist, die letzten Wissensdurstigen das Gebäude verlassen haben und der Parkplatz leer ist, fällt auch "Unit M" in einen Dämmerzustand. Die eintreffenden Daten spenden kaum noch Energie, das System beginnt sich zu entladen, die Lichtstäbe verlieren an Leuchtkraft, der Lauftext bleibt stehen und erlischt.

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