Textarchiv OÖNachrichten www.nachrichten.at/archiv
vom 08.11.2007 - Seite 022
Schonungslos: Ulrich Seidl zwingt in "Import Export" zum Hinsehen

Nachhaltige Bilder von Angst und Sehnsucht

Von Ulrike Steiner

"Import Export" (A 2007, 135 Min.), Regie: Ulrich Seidl (Moviemento).

HHHHHH

Ins Kino zu gehen, bedeutet oft Flucht aus dem Alltag, Auszeit von Sorgen und Problemen, einen netten Zeitvertreib zu moderatem Preis. Das ist vollkommen in Ordnung, hat aber nichts damit zu tun, was Film als Kunstform kann und bewirkt.

Ulrich Seidl gehört zu jenen, die es dem Zuschauer nie leicht gemacht haben. Im kleinen Österreich bringt man ihm eher widerwillig Respekt entgegen, seit seine Filme durch die Stempel "Venedig" und "Cannes" gleichsam geadelt wurden.

Auch sein neuer Film "Import Export" verlangt dem Betrachter ab, sich mit Dingen zu konfrontieren, die unangenehm, schmerzhaft, beschämend sind -nicht, weil sie hier dargestellt werden, sondern weil sie Teil der Realität sind.

"Import" nach Österreich ist die ukrainische Krankenschwester Olga (Ekateryna Rak). "Export" aus Österreich in die Ukraine ist der junge Arbeitslose Paul (Paul Hofmann), der mit seinem Stiefvater (Michael Thomas) auf "Geschäftsreise" in den Osten fährt.

Seidl erzählt die beiden Geschichten parallel. Klar treten Leitmotive zutage. Im weiblichen Handlungsstrang ist Sexualität das Instrument der Demütigung: Die Sexarbeiterinnen vor den Webcams bedienen männliche Macht-Lust. Im männlichen Handlungsstrang ist Gewalt ein verzweifelter Versuch, etwas Selbstachtung aufzubauen. Paul wehrt sich mit Macho-Posen gegen das Ohnmachtsgefühl des sozialen Sackgassen-Lebens.

Was wir importieren, ist Arbeitskraft für Jobs, die bei uns keiner machen will. Was wir exportieren, ist oft nur Wohlstandsmüll.

In den nachhaltigen, betongrauen bis neonblauen Bildern von Ed Lachman und Wolfgang Thaler spiegelt Ulrich Seidl unnachahmlich Ängste und Sehnsüchte: Die Grausigkeit des wohlorganisierten Sterbens in Pflegeeinrichtungen, die Armseligkeit gekaufter Sexspiele, auch Nischen der Mitmenschlichkeit, wie im zärtlichen Tanz von Olga mit einem alten Patienten.


© Alle Rechte vorbehalten. Nutzung ausschließlich für den privaten Eigenbedarf.