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Metropolis Kino 1.7.2000 - 30.9.2000
Die Verdoppelung ist ein bewährtes künstlerisches
Verfahren, weil sie flatterhafte Repräsentationen gewissermaßen in
sich selbst verortet. So ist es auch bei »Revolution Non Stop«,
einem Film, der nicht um sich selbst, sondern um das Kino kreist, in
dem er spielt. In diesem Kino und dem dazugehörigen Café sitzen
lauter junge Menschen wie du und ich. Manche von ihnen schreiben für
»springerin«, andere für »Texte zur Kunst«, wieder andere für beide.
Man hat viel gelesen in diesen Tagen der Götterdämmerung: Literatur,
Theorie vor allem, die man sich quasi fordistisch einverleibt hat,
Merve, Routledge, Argument, Suhrkamp, die Reihen runter. Es geht in
diesem Film nicht mehr um die Wahrheit der Zeilen oder die zwischen
den Zeilen. Statt dessen werden die Diskurse automatenhaft
heruntergebetet, sie erstarren zu Schemata, die ahnen lassen, dass
sich hinter ihnen die Welt verändert.
Wie in Dantes »Divina
Commedia« werden wir durch die zukünftigen Ruinen des Fordismus
geleitet. Da ist ein Taxifahrer, der sich als Bedeutungsproduzent
outet, zumindest insofern er sich die Fahrgäste selbst aussucht und
sein Auto bemalt hat. Und da sind die Fahrgäste Sabeth Buchmann und
Songül Bulut, die sich zunächst die Welt aus der Sichtweise des
Taxifahrers erläutern lassen, der daran knabbert, dass die
Bedeutungsproduktion nicht länger zu den Agenden der Kunst zählt,
sondern gesellschaftsvertraglich der ?konomie zugeschlagen wurde.
Irgendwann kommt aber auch der Moment, wo die »Revolutionären
Analysten«, allein auf sich gestellt, zu Fuß weitergehen, um zu
ERKENNEN. Eine lockere Abfolge von Szenen folgt, die paradigmatische
Schauplätze (wie die Einkaufspassage) und Subjektpositionen (wie den
Schuhputzer) miteinander verknüpft. Diese Allegorien, bei denen
immer etwas auf irgendetwas anderes verweist, sind gelungen. Sie
kommen auch relativ leichtfüßig daher, was die Präsenz von Kindern
in diesem Film rechtfertigt.
»Revolution Non Stop« ist eine
weitere Etappe in jenem Prozess, den man als Deregulierung des
Diskurses bezeichnen könnte. Damit ist gemeint, dass die
Diskursivierung, die poststrukturalistische Zurichtung der Welt ihre
Frische verloren hat, weil sie den neuen beziehungsweise neu
kodierten Machtbeziehungen nicht mehr entspricht. Damit einher geht
ein neu erwachtes Interesse an der »Erscheinung«, an Phänomenologie,
worin man nicht nur einen heideggerschen Rechtsruck sehen muss (als
seien referentielle Zeichen automatisch gut), sondern potenziell
durchaus auch eine Erweiterung der bisher denkbaren Politisierungen
von Ästhetik. Ein historischer Vorläufer der Diskursästhetik,
Godards mit Derrida gespickter Film »Le Gai Savoir«, kannte das auch
schon: das unerträgliche Gerede junger Menschen, die aber immerhin
knallfarbene Pullover tragen - hell leuchtend wie das Glas Milch in
Hitchcocks »Suspicion«. Den endgültigen Schritt in die Erscheinung
macht »Revolution Non Stop« allerdings nicht, sondern wiederholt
sich vor allem (als Endlosschleife) und klebt am Kino, an dieser
konkreten Spielstätte in Hamburg, im Sinne einer »architektonischen
Veranstaltung« (Baudry). Diese Fixierung soll man dem Film aber
nicht als Schwäche auslegen, denn erstens hat das Ganze
deklariertermaßen ortsspezifischen Charakter (die gute alte
Sozialdemokratie lässt grüßen), und zweitens ist das Interesse an
Verortung und Kontrolle durchaus legitim. Nicht politisch legitim
selbstverständlich, geht es hier doch um nichts anderes als die
Eifersucht der Subjekte auf die Dinge, die frei zirkulieren. Aber
ästhetisch legitim.
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