Christoph Schäfer: »Revolution Non Stop«

 

 

 

 

Roger M. Buergel

 

 

Metropolis Kino
1.7.2000 - 30.9.2000

 

Die Verdoppelung ist ein bewährtes künstlerisches Verfahren, weil sie flatterhafte Repräsentationen gewissermaßen in sich selbst verortet. So ist es auch bei »Revolution Non Stop«, einem Film, der nicht um sich selbst, sondern um das Kino kreist, in dem er spielt. In diesem Kino und dem dazugehörigen Café sitzen lauter junge Menschen wie du und ich. Manche von ihnen schreiben für »springerin«, andere für »Texte zur Kunst«, wieder andere für beide. Man hat viel gelesen in diesen Tagen der Götterdämmerung: Literatur, Theorie vor allem, die man sich quasi fordistisch einverleibt hat, Merve, Routledge, Argument, Suhrkamp, die Reihen runter. Es geht in diesem Film nicht mehr um die Wahrheit der Zeilen oder die zwischen den Zeilen. Statt dessen werden die Diskurse automatenhaft heruntergebetet, sie erstarren zu Schemata, die ahnen lassen, dass sich hinter ihnen die Welt verändert.

Wie in Dantes »Divina Commedia« werden wir durch die zukünftigen Ruinen des Fordismus geleitet. Da ist ein Taxifahrer, der sich als Bedeutungsproduzent outet, zumindest insofern er sich die Fahrgäste selbst aussucht und sein Auto bemalt hat. Und da sind die Fahrgäste Sabeth Buchmann und Songül Bulut, die sich zunächst die Welt aus der Sichtweise des Taxifahrers erläutern lassen, der daran knabbert, dass die Bedeutungsproduktion nicht länger zu den Agenden der Kunst zählt, sondern gesellschaftsvertraglich der ?konomie zugeschlagen wurde. Irgendwann kommt aber auch der Moment, wo die »Revolutionären Analysten«, allein auf sich gestellt, zu Fuß weitergehen, um zu ERKENNEN. Eine lockere Abfolge von Szenen folgt, die paradigmatische Schauplätze (wie die Einkaufspassage) und Subjektpositionen (wie den Schuhputzer) miteinander verknüpft. Diese Allegorien, bei denen immer etwas auf irgendetwas anderes verweist, sind gelungen. Sie kommen auch relativ leichtfüßig daher, was die Präsenz von Kindern in diesem Film rechtfertigt.

»Revolution Non Stop« ist eine weitere Etappe in jenem Prozess, den man als Deregulierung des Diskurses bezeichnen könnte. Damit ist gemeint, dass die Diskursivierung, die poststrukturalistische Zurichtung der Welt ihre Frische verloren hat, weil sie den neuen beziehungsweise neu kodierten Machtbeziehungen nicht mehr entspricht. Damit einher geht ein neu erwachtes Interesse an der »Erscheinung«, an Phänomenologie, worin man nicht nur einen heideggerschen Rechtsruck sehen muss (als seien referentielle Zeichen automatisch gut), sondern potenziell durchaus auch eine Erweiterung der bisher denkbaren Politisierungen von Ästhetik. Ein historischer Vorläufer der Diskursästhetik, Godards mit Derrida gespickter Film »Le Gai Savoir«, kannte das auch schon: das unerträgliche Gerede junger Menschen, die aber immerhin knallfarbene Pullover tragen - hell leuchtend wie das Glas Milch in Hitchcocks »Suspicion«. Den endgültigen Schritt in die Erscheinung macht »Revolution Non Stop« allerdings nicht, sondern wiederholt sich vor allem (als Endlosschleife) und klebt am Kino, an dieser konkreten Spielstätte in Hamburg, im Sinne einer »architektonischen Veranstaltung« (Baudry). Diese Fixierung soll man dem Film aber nicht als Schwäche auslegen, denn erstens hat das Ganze deklariertermaßen ortsspezifischen Charakter (die gute alte Sozialdemokratie lässt grüßen), und zweitens ist das Interesse an Verortung und Kontrolle durchaus legitim. Nicht politisch legitim selbstverständlich, geht es hier doch um nichts anderes als die Eifersucht der Subjekte auf die Dinge, die frei zirkulieren. Aber ästhetisch legitim.

 

   

 

»Revolution Non Stop« - Im Rahmen der Ausstellungsreihe »Außendienst«

 

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