Erfinder. Landarbeiter. Künstler

Die BAWAG-Foundation in Wien zeigt bis 3. September eine Ausstellung des Schweizer Art-Brut-Künstlers Heinrich Anton Müller. Eine Entdeckung.


Die Maschinen von Heinrich Anton Müller wirken funktionslos und skurril. Es sind riesige Geräte, die aus Abfällen, Lumpen, Draht und Ästen zusammengesetzt sind. Unter Verwendung von Exkrementen als Bindemittel versuchte Müller Rad-ähnliche Formen zu bilden, die er in Bewegung setzen wollte.

Maschine, um 1914/22
Maschine, um 1914/22

Tragisches Leben

Da er diese grotesken Apparaturen zeitweise unter Wutanfällen wieder zerstörte, sind sie nur mehr auf schlecht erhaltenen Fotografien sichtbar, auf denen sie zermalmend und beängstigend wirken. Das lässt auf eine tragische Existenz schließen. Die Biografie von Heinrich Anton Müller bestätigt das.

1869 wurde er in Versailles geboren und lebte dann als Rebknecht und Erfinder einfacher mechanischer Geräte gemeinsam mit seiner Familie in der französisch-sprachigen Schweiz. 1903 wurde ihm ein Patent für eine Maschine zur Rebveredelung ausgestellt. Mit dieser Errungenschaft jedoch scheint Müllers weiteres Schicksal besiegelt. Weil er das Patent aus Geldmangel nicht unterhalten konnte, ist es nach zwei Jahren erloschen.

Adieu Patron

Danach hatte er das Gefühl, dass jemand anders seine Idee verwerten würde. Von diesem Tag an ging er nicht mehr zur Arbeit, vernachlässigte seine Familie und zog sich vollständig aus der Gesellschaft zurück, was schließlich zur Internierung in einer Anstalt für geistig Abnorme führte. Heinrich Anton Müller begann zu schweigen. In den Aufzeichnungen der Anstaltsärzte heißt es, dass Müller einmal sagte "Adieu Patron", sich also für immer verabschiedete.

Fortsetzung des Weges

1917 erhielt er von seiner Familie einen Malkasten, womit er begann, bildnerisch zu arbeiten. Die These der Ausstellung ist jedoch, dass dies kein Neubeginn war, sondern eine Fortsetzung des begonnenen Ideengebäudes mit anderen Mitteln.

Seiner neuen Situation entsprechend baute Müller Maschinen ohne Funktion und begann zu malen und zu zeichnen. Viele der ausgestellten Werke sind mit Kreide und Bleistift auf Karton gemalt. Dabei handelt es sich einerseits um fantastische, bildhafte Figuren, "die man nur schwer versprachlichen kann", wie der Gestalter der Ausstellung Roman Kurzmeyer erklärt. Ab den 20er Jahren begann Müller dann, menschliche Figuren mit pflanzlichen oder tierischen Elementen zu verbinden. Mit diesen Arbeiten hört auch das zeichnerische Werk auf.

"Hermine", um 1917 (Zum Vergrößern anklicken)
Fantastisch, surrealistisch wirken viele der Arbeiten von Heinrich Anton Müller. Zum Beispiel "Hermine", eine Zeichnung aus der Frühzeit. Manche der Figuren Müllers wiederum sehen aus wie Fabelwesen, wirken geisterhaft mit fratzenhaften Gesichtern.

Künstlerische Entwicklung

Bemerkenswert ist auch, dass Müller oft auf Karton gemalt hat, der als Verpackungsmaterial für die Stahlwolle diente, mit der man in der Anstalt die Fußböden säuberte. Diese Kartons wurden von ihm zusammengesetzt, um größere Bildträger zu erhalten. Das unterscheidet ihn auch von anderen Anstaltsinsassen, die ebenfalls bildnerisch tätig waren. "Bei Müller gibt es so etwas wie eine Entwicklung und er hat begonnen sich für größere Formate zu interessieren", stellt Roman Kurzmeyer fest.

Sie sind Ausdruck eines Künstlers, der sich in der Irrenanstalt von Münsingen zunehmend abkapselte. Ganz im Gegensatz zu dem anderen Klassiker der Art Brut, Adolf Wölfli, der in seinem Umfeld ein Atelier mit Assistenten - vorwiegend mongoloider Patienten - aufbaute.

Doch trotz seines Schweigens lebte die Ideenwelt von Heinrich Anton Müller weiter. Zum Beispiel bezog sich der ebenfalls verstorbene Maschinenkünstler Jean Tinguely auf ihn und Harald Szeemann hat seine Arbeit in der legendären Ausstellung "Junggesellenmaschinen" vorgestellt.

Link: BAWAG Foundation

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