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Quer durch Galerien

Die Elfmeter-Extremität

Von Claudia Aigner

Debattieren Sie mit!Wer zwei linke Füße hat, bekommt einen rechten kostenlos dazu. Das muss ein orthopädisches Sonderangebot sein, ein so genannter "Vorteilspack" (zwei plus eins gratis). Eine nicht näher bezeichnete Nymphe verfügt jetzt jedenfalls über so ein Bonusbein. Ganze 50 Prozent mehr Beinarbeit! Eine Nymphe hat es ja auch bitter nötig. So eine wird schließlich dauernd von den Satyrn, die nicht wissen, wo sie sonst mit ihrer Männlichkeit hin sollten, durch Wald und Flur gejagt. (Die Satyrn, so nennt man bekanntlich die aufdringlich lüsterne, Flöte blasende Spezies mit ausgeprägter Satyriasis, die also ständig ihre Potenz irgendwo anbringen muss. Kurz: eine Meute Sexoholiker.)
Es könnte natürlich auch bloß das Fluchtinstinkt-Gen der Nymphe mutiert sein und deshalb sind ihre Beine jetzt zu dritt (auf einem der verstörend schönen und zugleich irgendwie grauslichen Fotos von Julia Kissina, die bis 11. Dezember in der Fotogalerie, Währinger Straße 59, Neugier und Unbehagen verbreiten). Freilich: Die vielen Zigarettenstummeln auf dem Boden sind ziemlich irritierend. Sind die Nymphen nicht einmal mehr Nymphomaninnen (wenigstens), sondern stattdessen Kettenraucherinnen? Der Held ist ebenfalls ein Dreibeiner. Ist hier infolge einer genetischen Umerziehungsmaßnahme die männliche Fortpflanzungs-"Extremität" zu einer Elfmeter-Extremität mutiert, was eigentlich als "Sublimierung" durchgehen müsste? Das soll nicht heißen, dass das Elfmeterschießen eine Form von Priapismus ist.
Allerdings machen die Zusatzbeine keinen sehr belastbaren Eindruck. Sieht eher nach zu wenig Kalzium und nach Knochenerweichung aus. Stimmt. Es handelt sich nämlich einfach um ausgestopfte Strumpfhosen. Und die Art, wo und wie Kissinas Kreaturen ihre Strumpfhosen tragen, entscheidet darüber, ob sie ein Heros oder ein Kentaur sind. Oder ob sie gar ein Buddha sind (sozusagen: Wenn Buddha aus dem Nirwana zurückgekehrt und Bankräuber geworden wäre) bzw. ein minderjähriger buddhistischer Bankräuber, der unter seiner Strumpfmaske den typischen Schädelwulst Buddhas mit Schwammerln imitiert. Kissina nutzt das anatomische Potenzial der Strumpfhose halt fantasievoll. Daneben: Michael Michlmayr fordert in seinen humordurchsetzten Fotofriesen das Raum-Zeit-Kontinuum heraus. Etwa wenn er ein paar Hunde "klont" und in ein und derselben Hundezone fünfmal dieselben, mit sich selbst völlig identischen Bäume stehen und des natürlichen Düngers harren.
Haut mit Bewegungsdrang: Nein, Hiromi Miyamoto (bis 21. Dezember im Atrium ed Arte, Lerchenfelder Straße 31) hat weder Menschen noch Elefanten die Schwarte abgezogen, um die kunstvoll zerfetzten Hautfleckerln mit Druckerschwärze einzufärben und sie dann wie beim Kartoffeldruck aufs Papier zu pressen. Die suggestiven Flecken (denen man das Physische sofort ansieht) erinnern trotzdem frappierend an die Epidermis. Und die Haut passt auch hier jeder Körperhaltung wie angegossen. Äußerst einprägsame, konzentrierte Bewegungsstudien (übrigens Lithografien und kein Kartoffeldruck).
Bis 20. Dezember in der Galerie Serafin (Florianigasse 9): Viktoria Popova. Die malt mit so viel kindlichem Übermut (und manches ist so "unbeschwert picassoesk"), dass es eine Freud ist. Sie zeigt dabei aber wirkliche Reife im Umgang mit der Farbenpracht und der Bildfläche und im Umgang mit der Naivität. (Ja, auch ich bin zu seriösen und anständigen Sätzen fähig.) Das Glanzstück: Die "Fliegende Kuh". Das ist bestimmt kein tragisch mitgerissenes Rind im Wirbelsturm, das sich also quasi unfreiwillig eine Windhose angezogen hat.

Erschienen am: 29.11.2002

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