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19. Juni 2009
17:18 MESZ

Gerhard Richter, "1025 Farben" , seit 1974 in Privatbesitz, gelangt nun bei Christie's in London zur Auktion.


Spannende Erstauftritte
In London stehen von 23. bis 30. Juni Impressionisten, Moderne und Zeitgenössische Kunst auf dem Auktionsprogramm

Der Sensationsfund glückte im Juli 2007: Im Keller der Zürcher Kantonalbank entdeckte man im Safe mit der Nummer fünf ebenso viele Kunstwerke französischer Impressionisten, darunter Arbeiten von Camille Pissarro, Claude Monet und Auguste Renoir. Ihre Gemeinsamkeit: Sie alle verschwanden im Umfeld des Zweiten Weltkriegs vom Markt.

Als Inhaber des Depots wurde die stiftungsähnliche "Schönart Anstalt" mit Sitz im Liechtenstein'schen Vaduz bekannt. Gegründet wurde diese von Bruno Lohse, dem ehemaligen Chefeinkäufer Hermann Görings, einer der aktivsten Kunsträuber der NS-Zeit überhaupt. Lohse war bei der Kantonalbank als Bevollmächtigter für das offiziell von der Stiftung gemietete Depot registriert.

Dort sollen ursprünglich 14 Bilder gelagert gewesen sein, etwa auch Werke von Dürer, Sisley oder Kokoschka. Im Laufe der Jahre und bis zum Tod von Lohse im März 2007 dürften damit also bereits neun Gemälde den Besitzer gewechselt haben. Unter den im Sommer vor zwei Jahren sichergestellten Kunstwerken war auch Pissarros Le Quai Malaquais von 1907. Ursprünglich war dieses Werk Teil der Sammlung Bermann-Fischer (Verlag S. Fischer), die kurz nach dem Anschluss von der Gestapo in Wien beschlagnahmt worden war.

Am 20. Mai 1940 gelangte der Pissarro, betitelt als Pariser Boulevard, im Dorotheum zur Auktion und wechselte in den Besitz von Eugen Primavesi, der das Bild - so ergaben Recherchen - offenbar an einen Berliner Kunsthändler verkaufte, von dem es wiederum Lohse erwarb. Dann verlor sich die Spur. Bis zu Jahresbeginn 2007, als die Enkelin Bermanns von einem Historiker des Londoner Art-Loss-Registers und einem Münchener Kunsthändler kontaktiert wurde.

Man wüsste, wo sich der Pissarro befände und könne es - gegen Erstattung eines Finderlohns von 18 Prozent übergeben. Gisela Bermann witterte Erpressung und schaltete ihren Anwalt ein. Eine der größten Fahndungsaktionen der Kunstwelt nahm ihren Anfang.

Die Zwischenbilanz: Vergangenes Jahr wurde Le Quai Malaquais restituiert und gelangt jetzt, taxiert auf 900.000 bis 1,5 Millionen Pfund (1,1-1,7 Mio Euro), bei Christie's im Rahmen des Impressionist & Modern Art Evening Sales am 23. Juni zur Auktion.

Es ist - aus dem kommende Woche auch von Sotheby's in dieser Sparte zur Verteilung gelangenden Sortiment - mit Sicherheit jenes Bild mit der spektakulärsten Geschichte. Mit kunsthistorischer Relevanz punkten dagegen Claude Monets Au Parc Monceau (3,5-4,5 Mio Pfund) aus den Anfangsjahren des Impressionismus oder Franz Marcs Springende Pferde (3-4 Mio Pfund). Christie's hofft allein für den mit 46 Werken bestückten Evening Sale auf Einnahmen von 40 Millionen Pfund.

Sotheby's schickt anderntags 27 Edelrösser zu einem unteren Schätzwert von 26,75 Millionen Pfund ins Rennen. Dazu gehört Picassos Homme l'épée, für die offiziell zwischen sechs und acht Millionen Pfund (6,69-8,91 Mio Euro) erwartet werden. Angesichts der zuletzt gestiegenen Wertschätzung für sein spätes Œuvre könnte die Taxe deutlich übertroffen werden.

Zum Halbjahresfinale hat dann noch die Riege Contemporary & Post War ihren Auftritt. Sotheby's möchte am 25. Juni mit 40 hochwertigen Lots zwischen 19,75 und 27,43 Millionen Pfund einspielen, wozu neben drei wichtigen Arbeiten Andy Warhols (u.a. Mrs Mc Carthy and Mrs Brown / Tuna Fish Disaster, 3,5-4,5 Mio Pfund) auch eine europäische Privatsammlung beitragen soll. Eine Woche später harren bei Christie's (30. Juni) 41 Verlockungen, deren Besitzerwechsel sich mit rund 20 Millionen Pfund zu Buche schlagen sollen. Zu den Zugpferden gehört dort Gerhard Richters Epos 1025 Farben aus dem Jahr 1974, das bei seinem Auktionsauftritt mit taxierten 1,3 bis zwei Millionen Pfund debütieren soll. (Olga Kronsteiner, ALBUM - DER STANDARD/Printausgabe, 20./21.06.2009)

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